Nachhaltig wirtschaften, zukunftsfähig wachsen
Festmachen in Bremerhaven
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Monika Brückner-Gümann des Berliner Start-ups Formo Bio GmbH

Foto: BIS/Stop Press - Helmut Stapel

Netzwerken, Neues aus Forschung, Bildung, Wissenschaft, Ressourceneffizienz

Wertschöpfung durch Wertschätzung von Lebensmitteln

Lebensmittelforum Bremerhaven vereint Trends und Technik der Ernährungs-Zukunft

Ganzheitlich und gemeinsam – das ist der optimale Weg der Lebensmittelindustrie. Mit diesem Fazit endete das 7. Lebensmittelforum in Bremerhaven unter dem Motto „Effizienz im Fokus“. Zu Gast im Forum Fischbahnhof im Fischereihafen waren am Dienstag, 28. Mai 2024 hochkarätige Referenten aus Wirtschaft und Forschung.

Die Themenschwerpunkte von Food-Trends über Dekarbonisierung und alternative Eiweiß-Quellen bis hin zu Maschinen-Transformation und innovativem Team-Management haben das nachhaltige Potenzial der Ernährungsbranche auf beindruckende Weise deutlich gemacht.

„Die Lebensmittelindustrie ist ein zentraler Wirtschaftszweig für Bremen und Bremerhaven. Unser Ziel ist es, durch nachhaltige Innovationen und die Förderung von klimaneutraler Produktion die Wettbewerbsfähigkeit unserer Region zu stärken“, stellte der Bremer Staatsrat Kai Stührenberg, Referat für Wirtschaft, Häfen und Transformation, gleich zu Beginn der Veranstaltung fest. Gemeinsam mit dem Oberbürgermeister Melf Grantz sowie dem Wirtschaftsförderer Nils Schnorrenberger, bezog er in der von Christa Krewel moderierten Diskussionsrunde eindeutig Position zur Lebensmittelbranche im Land Bremen und zeigte Entwicklungsmöglichkeiten auf.

„Unser Ziel ist es, die Einzigartigkeit der vorhandenen Strukturen in Bremerhaven und Bremen zu bündeln, um so die Synergien zum Wohl von Mensch, Wirtschaft und Umwelt zu nutzen“, erklärte Staatsrat Kai Stührenberg. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Fusion von vorhandenem Wissen mit neuartiger Technik und innovativen Ideen. „Dazu gehört insbesondere auch die Förderung von Startups, für die mit dem Foodhub in Bremerhaven künftig eine maßgeschneiderte Infrastruktur geschaffen wird,“ so Oberbürgermeister Melf Grantz. Das Lebensmittelforum biete die ideale Plattform, um Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammenzubringen und gemeinsam an Lösungen für die Zukunft der Lebensmittelproduktion zu arbeiten.

Die Nutzung von sogenannten „Side streams“ spielt dabei eine wichtige Rolle. Diese Reststoffe aus der Produktion können durch verbesserte Maschinen wesentlich effizienter genutzt werden. Das zeigte der Vortrag von Andreas Tobey, Produkt Manager der Nordischen Maschinenbau Baader GmbH. „Die Optimierung der Ressourcennutzung in der Lebensmittelindustrie ist von zentraler Bedeutung. Anstatt von Abfall zu sprechen, sollten wir nur von Produkten und Beiprodukten reden, immer mit dem Ziel ungenutzte Potenziale zu erkennen und zu nutzen.“ Er zeigte auf eindrucksvolle Weise, wie durch optimierte mechanische Prozesse Fisch und Geflügel in der Lebensmittelproduktion zu 100 Prozent verwertet werden können.

Wie aus Nebenprodukten komplett neue Produkte entstehen können, erläuterte Dipl.-Ing. Elke Böhme, Gruppenleiterin Lebensmitteltechnologie und Humanernährung vom Fraunhofer IMTE. Sie präsentierte die Entwicklung des Prototyps für einen schmackhaften Protein-Snack aus Restströmen der Lebensmittelproduktion. „Dieses „Upcycling“ trägt nicht nur zur Reduzierung von Lebensmittelabfall bei, sondern schafft auch neue Nahrungsquellen“, so die Expertin. „Solche Ansätze unterstützen eine nachhaltige Lebensmittelproduktion und können helfen, die ökologischen Fußabdrücke der Branche zu minimieren.“ Im Projektmaßstab umgesetzt wurde das für die Fischindustrie bereits im IMTE mit einem gesunden Omega-3-Fettsäuren Snack – basierend auf Restströmen im und gemeinsam mit der Baader GmbH.

Dass Lebensmittel zukünftig dank fortschreitender Technik nicht mehr zwingend konventionell hergestellt werden müssen, zeigte der Vortrag von Monika Brückner-Gümann des Berliner Start-Ups Formo Bio GmbH. Das Jung-Unternehmen gewinnt für den in diesem Jahr geplanten Markteintritt die Proteine über die Mikrofermentation. Hierbei kommen Mikroorganismen zum Einsatz, die es natürlicherweise in der Natur gibt. Bei der Mikrofermentation wird keine Gentechnik eingesetzt. Die Mikroorganismen werden mit Nährstoffen versorgt und produzieren die Proteine in einem Fermenter. Einmal extrahiert, startet mit den Proteinen dann der klassische Produktionsprozess. Fertig ist der Käse ohne Kuh. Auch Stoffe wie beispielsweise Alt-Speiseöl aus der Gastronomie können über die Präzisionsfermentation für die umweltschonende Lebensmittelproduktion genutzt werden. Vanessa Wegat vom Fraunhofer IGB präsentierte mit dem Projekt AlternateFysch die Möglichkeit, eine vegane Fischalternative mit authentischer Protein-Faserstruktur herzustellen, die noch dazu gluten- und sojafrei ist.

Ein Plädoyer für die Ernährung im Rahmen der natürlichen Machbarkeit mit Meeresschutz hielt Antje de Vries. Die Food-Nomadin reist rund um die Welt, berät Restaurants und entwickelt Food-Konzepte. „Wir haben den Planeten durch unseren Konsum an seine ökologischen Grenzen gebracht. Es ist Zeit mit dem Blick auf die Natur und auf das Ökosystem Meer gemeinsam neue kreative Lösungen zu entwickeln“, so die Expertin. Ein sofortiger Kurswechsel hin zu einer pflanzenbasierten gesunden Ernährung für Mensch und Tier, die Entdeckung der vielfältigen Potenziale von Algen sowie der Fokus auf Regionalität und Saisonalität seien die Chance dafür.

Dass ein Umdenken der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit dazu beiträgt, zeigte der Vortrag von Timo Mahler, Leiter Technik und Energiemanagement bei der Deutsche See GmbH. „Ausgelöst durch eine drohende Gasmangellage im Jahr 2022, haben wir hier in Bremerhaven das Klimabündnis Climate Corporation Fischereihafen (CCF) gegründet. Was mit fünf Betrieben begonnen hat, ist inzwischen auf eine Zahl von 39 Firmen angewachsen“, so Mahler. Absicht der bundesweit einzigartigen Initiative ist es, unter anderem durch die Nutzung von Windkraft und Photovoltaik, die Optimierung der Warenströme sowie den Einsatz von Güterzügen und Elektro/Wasserstofffahrzeugen klimaneutral zu werden. „Dieses Ziel wollen wir bis 2030 erreicht haben“, so Mahler.

Wie unerlässlich auf dem Weg in die nachhaltige Lebensmittelzukunft eine verantwortungsvolle Teamführung ist, betonten die Firmengründerinnen Pia Voltz von der Online-Karriere-Plattform Tälist und Lene Knoll, Geschäftsführerin der Lenes Bio Backstube GmbH in der Abschluss-Diskussion. Das reiche von Rücksichtnahme auf den Remote-Arbeitswunsch bis zur gesamten Unternehmenskultur. „Dazu gehört auch die soziale Nachhaltigkeit“, sagte Lene Knoll. „Unsere Mitarbeiter bekommen nicht nur ihre Arbeitskleidung kostenlos. Auch für genügend Essen und Trinken im Aufenthaltsraum ist immer gesorgt. Persönliche Wertschätzung ist das A und O für die Zukunft eines gesunden Unternehmens.“ Was denn aus ihrer Sicht das Wichtigste dabei sei, so die Publikumsfrage. „Auch mal einen Schnaps trinken und zusammen auf dem Tisch tanzen. Das verbindet ungemein.“

„Mit dem 7. Bremerhavener Lebensmittelforum haben wir gezeigt, wie viel Potenzial und innovative Energie in der Lebensmittelindustrie steckt. Die Resonanz mit knapp 100 Gästen aus ganz Deutschland zeigt deutlich, welchen Stellenwert der Standort Bremerhaven in der Branche hat“, sagte BIS Geschäftsführer Nils Schnorrenberger abschließend. „Der lebendige Austausch auf fachlicher und persönlicher Ebene führt zu weiteren Synergien und einer umfassenden Kompetenzsteigerung durch das gegenseitige Interesse. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste Konferenz.“ Das 8. Bremerhavener Lebensmittelforum findet am 24. Juni 2025 statt. Die Fach-Veranstaltung wird gefördert vom Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds.


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