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Nachhaltige Nordseekrabbe durch neue Technik

Nordseekrabben sind eine Delikatesse und werden von vielen Menschen gemocht. Um die Krabben aus ihrer Schale zu befreien, müssen sie gepult werden.

Eine Arbeit, die viel Zeit und vor allem Geld erfordert, wenn es um die industrielle Verarbeitung geht – das Krabbenpulen läuft per Hand. Bisher gab es keine Krabbenpulmaschine, die pflegeleicht läuft und vor allem: möglichst wenig beschädigte Ware oder Ausschuss erzeugt. Das soll sich jetzt ändern: Am Bremerhavener Thünen-Institut entsteht die erste reibungslos funktionierende Krabbenpulmaschine der Welt.

„Ich komme nun mal aus Cuxhaven. Das liegt einem die Nordseekrabbe am Herzen“, sagt Dr. Arne Schröder. Der 49-Jährige betreut das Projekt am Thünen-Institut. An diesem Morgen steht er am Hafenbecken und blickt auf den Fischereihafen. Passenderweise liegt gegenüber gerade ein Krabbenkutter an der Kaje. „Wir haben die Krabben bei unserer Großmutter immer fangfrisch gepult und dann auf einem einfachen Brötchen gegessen.“

Weite Wege sollen entfallen

Diese Zeiten sind an der deutschen Nordseeküste längst vorbei. Mit der Übernahme des Vermarktungsmonopols durch die Holländer verlagerte sich auch die Verarbeitungskette. Wurde früher noch direkt in den Kutterhäfen gepult, passiert das heutzutage im Ausland: in Marokko. Doch die Nordseekrabbe nimmt nicht nur diesen weiten Weg auf sich, bevor sie in Deutschland im Verkauf landet. „In Corona-Zeiten wurde der Fang teilweise bis nach Indonesien verschifft. Das sind rund 6000 Seemeilen für eine Strecke. In Marokko waren die Kapazitäten durch die Epidemie stark ausgedünnt“, erklärt Arne Schröder.

Durch den Bau der neuartigen Krabbenpulmaschine soll sich nicht nur die Produktions- und Lieferkette ändern, sondern gleichzeitig auch das Treibhausgas Kohlendioxid eingespart werden. Die weiten Transportfahrten per Lkw und Schiff würden entfallen. „Wir wollen erreichen, dass die Krabben wieder lokal verarbeitet werden. Das sichert nicht nur Arbeitsplätze, sondern bringt auch soziale Nachhaltigkeit. Die Struktur der Küstenfischerei ist auch norddeutsche Kultur“, betont der Forscher.

Schall bietet eine Lösung

Wie aber soll das Pulen der zerbrechlichen Nordseekrabbe nun funktionieren, ohne dass sie beschädigt wird? Bisherige Versuche, eine Pulmaschine zu entwickeln, scheiterten oft schon an der Mechanik. „Natürlich gibt es einige Pulmaschinen. Aber die arbeiten mit kleinen Messern, die den Chitin-Panzer aufschlitzen und dann wird das Krabbenfleisch entfernt“, schildert Arne Schröder. „Das gibt automatisch ein Problem mit der unterschiedlichen Größe der Krabben. Treffe ich den Panzer oder wird auch das Fleisch verletzt? Quetsche ich das Fleisch bei der Produktion? Noch dazu: Es müssen sehr viele kleine Messerklingen regelmäßig geschliffen werden und die Maschine entsprechend immer wieder aufwändig gereinigt.“

Die Lösung: Schall. Der Prototyp der neuartigen Krabbenpulmaschine arbeitet mit einer intensiven Schallwelle. Dadurch werden die Panzer der Nordseekrabbe entfernt, aber es erfolgt keine mechanische Beschädigung. „Die Krabben liegen dafür in einem Wasserbad. Durch die Druckwelle wird die Kalkstruktur im Chitinpanzer gelöst und das Fleisch liegt frei. Es gibt keine Beschädigung durch eine Messerklinge und auch keine starke Einschränkung bei der Verarbeitung durch Größenunterschiede“, so Schröder.

Zu sehen ist der Prototyp noch nicht. Er wird derzeit im Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik in Quakenbrück getestet und eingestellt. „Wir prüfen, wie stark die Druckwelle exakt sein muss und auch, wie viele Krabben pro Durchlauf in das Wasserbad können, um eine maximale Produktionsmenge zu erzielen“, sagt Arne Schröder. Entwickelt wurde die neuartige Krabbenpulmaschine in Zusammenarbeit mit der Firma Klever aus Großheide bei Aurich.

Krabbenfischerei soll wieder unabhängig werden

Langfristiges Ziel ist, die Krabbenfischerei an der deutschen Nordseeküste wieder auf eigenständige Beine zu stellen und damit aus der niederländischen Monopol-Struktur zu lösen. Damit würden auch die langen Transportwege und die Emissionen entfallen. „Die Frage ist auch, wer will die Technik in welcher Form benutzen? Ist es eine Genossenschaft oder sind es einzelne Fischer? Abhängig davon wäre dann auch die Größe der Krabbenpulmaschine zu wählen“, erklärt Arne Schröder.

Das Patent auf die Maschine hätte dann die Firma Klever. Konstruktionspläne und Details wären aber frei und öffentlich zugänglich. „Wir arbeiten ja in einem Forschungsprojekt mit öffentlichen Geldern. Also muss das Ergebnis auch der Öffentlichkeit nützen.“ Damit das in allen Bereichen der Nachhaltigkeit in Sachen Nordseekrabbe so wird, gibt es einen weiteren Aspekt.

Das Thünen-Institut arbeitet mit dem Bremerhavener Technologie Transfer Zentrum zusammen, um die Krabbenfischerei zur perfekten Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln. Arne Schröder: „Bisher wird der wertvolle Chitin-Panzer größtenteils weggeworfen. Wir wollen das Chitin nutzen, um daraus neue Werkstoffe herzustellen – beispielsweise Chitosan, das in der Kosmetik und der Medizintechnik verwendet werden kann. Die Krabbe ist ein wertvolles Naturprodukt und sollte auch so behandelt werden.“

 


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