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Fraunhofer IWES in Bremerhaven beflügelt grüne Energie

Wer an Windräder denkt, sieht meist ruhig drehende Rotor-Sterne in der Landschaft vor sich. Tatsächlich sind die Rotorblätter aber extremen Belastungen ausgesetzt und das gilt vor allem für Offshore-Windräder.

Bis zu zehn Meter kann ein Rotorblatt sich bei entsprechender Windbelastung verbiegen. Bremerhaven ist durch das Fraunhofer-Institut für Windenergiesystem (IWES) ein internationaler Hotspot für den Test von Rotorblättern.

„Ja, wir freuen uns auch sehr“, sagt Steffen Czichon bescheiden, während er durch den neuesten Teststand des Instituts geht. 25 Millionen Euro hat das High-Tech-Gebäude gekostet – finanziert durch Bundesgelder, das europäische EFRE-Programm und Landesmittel. Es ist bereits der dritte Rotorblatt-Teststand für das Fraunhofer IWES am Bremerhavener Fischereihafen und dafür gibt es einen Grund. „Die Rotorblätter werden immer länger. Wir können hier inzwischen 60 Meter Länge, 90 Meter Länge und jetzt auch bis zu 140 Meter lange Rotorblätter testen“, erzählt der Leiter der Abteilung Rotorblätter.

Hoch hinaus

Statt Windparks mit vielen Windrädern mit geringem Rotor-Sterndurchmesser und entsprechend weniger Leistung zu bauen, geht die Windenergie-Industrie einen anderen Weg: Höhere Windräder mit größeren Rotor-Sternen und demzufolge längeren Rotorblättern für eine insgesamt größere Leistung der Windräder. „Da vorn auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes Luneort steht ein Prototyp der Firma Areva. Er hat eine Leistung von 8 Megawatt und eine Rotorblattlänge von 90 Meter“, zeigt Steffen Czichon. „Wir reden hier für zukünftige Windrad-Entwicklungen längst von ganz anderen Dimensionen.“

Firma Vestas ist erster Kunde

Der erste Kunde für den neuen IWES-Teststand ist ein Rotorblatt der dänischen Firma Vestas. Die Länge: 115,5 Meter. Eine gewaltige und trotzdem zerbrechliche Konstruktion, die erst durch außergewöhnliche Baukomponenten ihre flexible Stabilität bekommt. „Was viele Leute nicht wissen: Die Rotorblätter für Windräder bestehen unter anderem aus Holz“, sagt Steffen Czichon. „Dazu kommen bis zu 150 übereinander geklebte Lagen von Faserverbund-Werkstoffen mit Carbon, Glasfaser, Harz zum Verkleben. Das verwendete Holz ist extrem leichtes Balser-Holz.“

Belastungstests geben Sicherheit

Trotzdem kommt ein entsprechend großes Rotorblatt schon mal auf ein Einzelgewicht zwischen 50 Tonnen und 70 Tonnen. Damit die Konstruktion den mechanischen Belastungen am Kopf eines Windrades gewachsen ist, führt das IWES verschiedene Stress-Tests durch. „Dazu gehört zum Beispiel die Maximalbiegung. Das Rotorblatt wird mit seinem Endstück in den massiven Block am Ende des Teststand eingespannt und die Spitze vorn fixiert. Dann wird der Block nach hinten gekippt. Dadurch wird das gesamte Rotorblatt einer starken Krümmung ausgesetzt“, erklärt Steffen Czichon.

Zusätzlich wird die Alltags-Belastung des Rotorblattes im Teststand simuliert. „Das Blatt ist im Betrieb einer ständigen Schwingung ausgesetzt. Diese Schwingung erzeugen wir durch Auf- und Abbewegung im Teststand künstlich“, sagt Steffen Czichon. Wie verhält sich das Material? Treten Strukturrisse auf?  Falls ja: Ab welcher Belastungsdauer und an welchen Stellen des Rotorblattes? Alle diese Daten werden vom IWES ermittelt und fließen dann in die abschließende Weiterentwicklung des Rotorblattes bis zur Serienfertigung mit ein.

Bis zu zwei Jahren kann der Test eines einzigen Rotorblattes dauern. „Die Ergebnisse müssen absolut zuverlässig sein. Geht ein Windrad in die Serienproduktion braucht der Hersteller einhundert Prozent Sicherheit, dass die Komponenten technisch einwandfrei sind“, so Czichon. Die Expertise hierfür kommt aus Bremerhaven. Rotorblatthersteller aus der ganzen Welt schicken ihre Prototypen, damit sie beim IWES getestet werden.

„115 plus“

Der neue Teststand ist im Gegensatz zu den beiden ersten Testständen eine nach vorn offene Konstruktion. Die eigentliche Halle mit dem blau lackierten Stahlblock als Belastungsgewicht und Halterung des Rotorblattes ist ein Würfel mit Wand- und Deckenhöhen von gut 15 Metern. „Diese Variante ist auf der einen Seite geringeren Baukosten geschuldet. Auf der anderen Seite sind wir so auch noch flexibler bei der Länge der zu testenden Rotorblätter“, sagt Steffen Czichon.

„115 plus“ ist deshalb auch der offizielle Name des neuen Rotor-Teststands am IWES. Das aktuell zu testende Vesta-Rotorblatt entspricht dieser Länge und wird nach Einschätzung von Steffen Czichon wohl bei Windrädern mit bis zu 15 Megawatt-Leistung zum Einsatz kommen – fast das Doppelte der Leistung des  Areva-Prototypen auf dem Luneort-Gelände. Doch das ist längst nicht das Ende der Entwicklung. Steffen Czichon: „Wir rechnen bereits mit dem 20-Megawatt-Windrad. Entsprechend lang werden die Rotorblätter sein. Hier in Bremerhaven sind wir jetzt schon darauf vorbereitet.“


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