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GREEN SCIENCE, Neues aus Forschung, Bildung, Wissenschaft

Rotalge für grünere Wirtschaft

Wenn Pflanzen dazu beitragen, Treibhausgase zu reduzieren, gibt es meist auf allen Produktions-Seiten Gewinner. Die Rotalge Galdieria sulphuraria ist so ein Kandidat. An der Hochschule Bremerhaven hat sich ein Team mit den Eigenschaften der Alge beschäftigt – erfolgreich. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat jetzt grünes Licht für die finanzielle Förderung der Machbarkeitsstudie gegeben.

„Darüber freuen wir uns sehr“, sagt Imke Lang. Die Professorin für Marine Biotechnologie an der Hochschule Bremerhaven hatte die Projektidee. Insgesamt ein Jahr lang haben sie und ihr Team die Rotalge intensiv unter die Lupe genommen. Das Ziel: Ein pflanzenbasiertes Extrakt zu erzeugen, das als Nährmedium für verschiedene Zellkulturen einsetzbar ist – unter anderem für die Medizin oder auch die Zucht von künstlichem Fleisch im Labor – was die Tierzucht und damit den Ausstoß von Methan reduzieren würde.

Mit einem Fördervolumen von 60.000 Euro hat das BMBF nun die Forschungen anerkannt und die weitere Projektarbeit auf den Weg gebracht. Der Name des Förderprogramms: Neue Produkte für die Bio-Ökonomie. Der offizielle Name des Forschungsprojektes für Zellwachstum auf Algen-Basis: „Serazel – Serumfreie Zellkulturtechnik mit algenbasierten Additiven“

„Drei Jahre haben wir Zeit, die Machbarkeitsstudie zu erstellen, konkrete Einsatzmöglichkeiten zu benennen und mit Fakten zu untermauern“, erzählt Imke Lang. Dafür „brüten“ in den Schränken, Reagenzgläsern und Glaskolben im Labor des Fachbereichs die Rotalgen vor sich hin. „Das hier ist unser Schrank mit den Algenstämmen, aus denen wir weitere Rotalgenkulturen züchten und dann für die Einsatzgebiete testen. Die Studenten dürfen da aber nicht ran“, lacht die Professorin.

Immerhin hat sie die Rotalgen selber aus ihrer vorherigen Tätigkeit mitgebracht und Galdieria sulphuraria kommt von Haus aus vor allem in der Nähe von Vulkanquellen vor – die es an der deutschen Nordseeküste auf Zuruf und Vorrat eher nicht gibt. Die Algenstämme werden deshalb sorgsam behütet und gepflegt.

Wo die Rotalge zukünftig zum Einsatz kommen könnte, hängt nun von ihrer Reaktion auf bestimmte Versuchsszenarien ab – die unter anderem von Hanna Eisenberg durchgeführt werden. Sie hat an der Hochschule Bremerhaven bereits ihren Masterabschluss in Biotechnologie gemacht und will die Algenforschung für ihre Doktorarbeit nutzen.

„Die Rotalge ist keine große Makroalge, sondern eine Mikroalge. Das heißt, wir schneiden sie nicht in kleine Stücke, sondern lassen die Rotalge in einer flüssigen Nährlösung Biomasse produzieren. Um optimale Wachstumsbedingungen zu schaffen, verbessern wir die Nährlösung, verändern Lichtverhältnisse oder die Begasung mit Druckluft“, erklärt sie. Nach weiteren Arbeitsschritten kommt das Forschungs-Team durch Heißwasserextraktion oder Ultraschall an die Inhaltsstoffe der Zellen wie Proteine, Fette, Polysaccharide – und dann beginnt der spannende Teil.

„Unser Ziel ist es, ein Produkt zu entwickeln, das für das Wachstum von tierischen Zellkulturen genutzt werden kann – ob es in der Fleisch-Produktion ist oder die Produktion von Antikörpern. Dafür stellen wir nun verschiedene Algen-Extrakte her mit einer unterschiedlichen Konzentration von Proteinen, Fetten, Zucker und anderem“, erklärt Hanna Eisenberg. „Damit testen wir dann an den genannten Zellkulturen, wie sie auf welches Extrakt reagieren und wie am besten wachsen.“

Denn zum Wachsen brauchen tierische Zellen vor allem die richtigen Nährstoffe. Natürlicherweise finden sie das ausschließlich an einem ganz bestimmten Ort: im Blut. Das Algenextrakt könnte also in der Zell- und Gewebeforschung für ein völlig neuartiges Nährmedium sorgen, dass ohne tierisches Blut auskommt – was im Forschungsansatz auch ein wichtiger Punkt ist, betont Imke Lang: „Bringen wir das zum Laufen, könnte man auch auf Kälberserum verzichten. Aktuell ist es immer noch so, dass für das Wachstum von tierischen Zellkulturen das notwendige Serum auf ziemlich brutale Art gewonnen wird.“

Dafür werden trächtige Kühe geschlachtet und den noch lebenden Kälbern über die Nabelschnur das Blut zur Gewinnung des Serums entnommen. Paradoxerweise werden ausgerechnet die dadurch entstehenden Zellkulturen zum Beispiel in der Kosmetik eingesetzt, um Tierversuche zu vermeiden. Aber auch in der pharmazeutischen Industrie wird Kälberserum genutzt, um über Zellkulturen beispielsweise Antikörper für die Krebstherapie herzustellen. Menschliches Blutserum könnte dafür alternativ auch eingesetzt werden – aber aus naheliegenden Gründen gibt es nicht genügend menschliches Blutserum, um es industriell einzusetzen.

„Erreichen wir mit Serazel die gewünschte Anwendbarkeit, dann hätte das weitreichende positive Auswirkungen. Nicht nur die Herstellung Kälberserum wäre überflüssig, sondern zum Beispiel auch der Einsatz von fossilen Brennstoffen in der Produktion von Kunstdüngern für die Landwirtschaft“, zählt Imke Lang auf. Außerdem: Fleisch könnte im Labor hergestellt werden, ohne dafür tragende Kühe zu töten, die Massentierhaltung würde reduziert und außerdem könnten Lebensmittelreste genutzt werden, um die Algen zu züchten- nachhaltiger geht es nicht.

 


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