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Festmachen in Bremerhaven
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GREEN CLIMATE, Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Neues aus Forschung, Bildung, Wissenschaft, Ressourceneffizienz

Die Hochschule Bremerhaven brutzelt mit Klimaschutz

Sommerzeit, fünf Studierende, ein Projektstart in der Lebensmitteltechnologie – was ist dabei zwangsläufig das Ergebnis? Richtig: Bratwurst.

Aber dabei geht es nicht etwa um irgendein x-beliebiges Grillgut. Die Hochschule Bremerhaven hat eine fleischreduzierte Bratwurst entwickelt, die nicht nur das Klima schont, sondern sogar bundesweit für Aufsehen sorgt.

Vier komplette Unterrichtstage Gesamtzeit, 1500 Wurstrezepte zur Auswahl und null Erfahrung in der Produktion einer eigenen Bratwurst – diese Konstellation kann schon mal Stress auslösen. „Wir hatten durchaus Momente, in denen wir dachten, das wird nichts“, gesteht Marie Heuer lachend ein. Inzwischen ist die Fünfer-Gruppe entspannt, denn ihre fleischreduzierte Bratwurst ist wie ein Sechser im Lotto und hat unter anderem einen Bundespreis gewonnen.

Der Weg dorthin war ebenso kreativ wie kurvenreich. „Welches Fleisch nehmen wir und womit ersetzen wir die 30 Prozent Fleischmasse, die wir weglassen?“, haben sich die Lebensmitteltechnologie-Studenten gefragt. Die Antwort ist ein bisschen aus der Lust am Essen auf der eigenen Party und im Wohngemeinschaftsalltag entstanden. „Jalapeños, Zwiebeln und Paprika“, war die spontane, appetitliche und pflanzliche Idee für den Fleischersatz in der Bratwurst. Doch wie bringt man die Fleischmasse mit dem pflanzlichen Anteil in ein bratfertige und dazu noch leckere und essbare Form?

„Das ist in der Tat ein Problem“, erzählt Marcel Prill „Durch den Gemüse-Anteil gelangt mehr Wasser in die Fleischmasse. Das muss irgendwie gebunden oder entfernt werden. Gleichzeitig braucht die Wurst aber auch eine Art schmelzigen Geschmacks-Charakter, damit sie nicht einfach nur trocken ist.“ Die Lösung: Gegen die überschüssige Feuchtigkeit können verschiedene Pflanzenfasern wie aus Weizenhalmen oder Erbsenschalen in die Wurstmasse eingearbeitet werden.

Und die gewünschte und notwendige Konsistenz der Wurstmasse lässt sich über Zutaten wie Gelierstoffe steuern – im Prinzip. Zig Versuche, zig Fehlschläge, keine Konsistenz, kein Geschmack: „Wir waren zwischendurch wirklich verzweifelt, weil so viele Komponenten unter einen Hut gebracht werden mussten und einfach nichts so ging, wie anfangs gedacht“, erzählen die Studenten.

So wurde sie entwickelt

Das erste greifbare Ergebnis hatte mit einer Bratwurst so viel zu tun, wie ein Bleistift mit einer Mondrakete. „Wir haben eine kleine Menge Wurstmasse produziert, ohne Darm als Hülle handgeformt und dann probiert.“ Hauseigener Trick: „Für den Geschmack haben wir zusätzlich Honig und Senf mit eingearbeitet. Dann spart man sich das Dressing“, lachen die Studenten. Doch die eigene Wertung in der Realität: „Das hat wirklich grauenhaft geschmeckt und sah aus wie ein missglückter Köfte-Spieß aus einem türkischen Imbiss“, lacht die Gruppe. Aber – auf den Geschmack kam es bei dem Projekt zunächst gar nicht an.

„Im Studienprojekt geht es vorrangig darum, eine funktionierende, fett- und fleischreduzierte Bratwurst zu entwickeln. Der Geschmack kommt dann“, erklärt Frederike Reimold, Professorin für Fleisch- und Fischtechnologie. Unterstützt werden die Studenten an der Hochschule Bremerhaven dabei von Wirtschaftsunternehmen, die ihr Wissen und Tipps bei der Lebensmittelproduktion gezielt weitergeben – in Fall der Bratwurst auch für Aromen oder Zutaten wie Gelierstoffen für das Geschmackserlebnis.

„Wir haben zuerst mit Inulin gearbeitet, um der Wurst das notwendige weiche Mundgefühl zu geben – hat aber nicht funktioniert“, erzählt Marcel Prill. Doch wer im 6. Semester in Bremerhaven Lebensmitteltechnologie studiert, hat immer noch ein As im Ärmel: Flohsamenschalen. „Die quellen richtig gut auf, geben  Substanz und ziehen noch dazu überschüssiges Wasser aus der fleischreduzierten Wurst“, sind die fünf Studenten über ihre Arbeit und die gewonnen Erkenntnisse begeistert. Was aber ist nun der nachhaltige Effekt an der neuartigen Bratwurst?

„Das ist ganz einfach“, erzählt die Gruppe. „Durch weniger Fleisch, werden weniger Ressourcen verbraucht und es wird auch weniger CO2 durch Futter für die Tierhaltung oder Methan durch die Tiere freigesetzt. Die Pflanzenfasern sind Reststoffe aus vorhandener Produktion und noch dazu trägt die Fleisch- und Fettreduktion zu mehr Gesundheit bei.“ Schweinefleisch sei sicher noch nicht die optimale Lösung, weil in der Haltung dieser Tiere viel Wasser verbraucht werde und Hähnchenfleisch eventuell besser. Aber: „Wir wollten eine grobe Bratwurst herstellen und das ist uns mit diesem Fleisch geglückt.“

Eine Idee, die auch bundesweit für Beachtung sorgt. Das nachhaltige Projekt der Bremerhavener Studenten hat den renommierten Campuspreis gewonnen und dabei den zweiten Platz gemacht. Der Preis wird jährlich von der Osnabrücker Hochschule ausgeschrieben und zieht auch Produkt- und Talentsucher an. „Wir wurden bereits angesprochen, ob wir nicht ein Start-Up gründen wollen und haben auch die eine oder andere Visitenkarte zugesteckt bekommen“, lächeln die Produkt-Erfinder stolz – sind sich beim weiteren Wurst-Weg aber noch nicht sicher, denn zum Abschluss des Studiums steht nun für alle erst einmal eines an: die Bachelor-Arbeit.


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