Hilfe für trendigen Genuss
Im Food Hub Bremerhaven können Start-ups in die Lebensmittelproduktion einsteigen
In der Werbung sieht es so schön aus: Bäcker stehen hemdsärmelig am Steinofen, Konditoren rühren hingebungsvoll im Kupferkessel glänzende Schokolade, die Zutaten fürs Frühstücksmüsli schweben direkt vom Kornfeld auf den Teller. Doch die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln sieht in der Realität anders aus. Nur mit Hilfe komplexer Anlagen und Maschinen können die erforderlichen Mengen in gleichbleibender Qualität kostengünstig produziert werden.
Für Existenzgründende sowie Entwicklerinnen und Entwickler innovativer Nahrungsmittel steckt darin eine große Herausforderung. „Auf dem Weg vom Labormaßstab zum marktreifen Produkt muss auch das erforderliche Produktionsverfahren entwickelt und erprobt werden“, erläutert Markus von Bargen, Technischer Leiter des unabhängigen Forschungsdienstleisters Technologie-Transferzentrums ttz Bremerhaven. Die dafür erforderlichen Maschinen sind aufwendig und teuer. „Weil sich das kaum ein Start-up leisten kann, werden wir ihnen diese Geräte künftig in unserem neuen Food Hub zu tragbaren Kosten zur Verfügung stellen“, ergänzt der Kaufmännische ttz-Leiter Jörg Rugen.
Innovation in einem der größten Zentren der Lebensmittelindustrie
Das Food Hub wird seinen Sitz im Fischereihafen haben. Das 450 Hektar große Gewerbegebiet gehört mit rund 400 Betrieben und 9.000 Arbeitsplätzen zu den größten Zentren der Nahrungsmittelproduktion in Deutschland. Vom kleinen Handwerksbetrieb für die Herstellung von Fischfeinkost bis zum Großbetrieb und Marktführer für tiefgekühlte Fertiggerichte sind hier alle Unternehmensgrößen vertreten.
Für viele von ihnen ist das ttz als Einrichtung der Hochschule Bremerhaven seit vielen Jahren ein wichtiger Partner – mit mehr als 40 Projektmanagerinnen und -managern konzentriert sich das Transferzentrum darauf, das Know-how der Hochschule in die Praxis der Unternehmen in Bremerhaven und weit darüber hinaus zu tragen. „Wir sehen schon seit längerem, dass mit dem Trend zur gesunden und nachhaltigen Ernährung immer wieder Start-ups mit vielversprechenden Ideen auf die Bühne treten“, berichtet Jörg Rugen, „genau diese Gründer sowie innovative Kleinunternehmen wollen wir mit unserem neuen Food Hub unterstützen.“
Food Hub setzt anderen Schwerpunkt
Food Hubs, Food Labs oder Gründungszentren für Start-ups aus dem Lebensmittelbereich gibt es bereits an mehreren deutschen Standorten. „Zumeist konzentrieren sie sich darauf, die Gründer bei der Entwicklung ihrer Idee sowie bei der Vermarktung zu unterstützen“, weiß Markus von Bargen. Das neue Zentrum in Bremerhaven setzt dagegen an dem Punkt an, der zu den schwierigsten Schritten auf dem langen Weg zum erfolgreichen Produkt gehört: „Ein Lebensmittel industriell herzustellen, erfordert jede Menge technisches Wissen, Know-how in der Lebensmitteltechnologie und den entsprechenden modernen, vielseitigen Maschinenpark“, erläutert der Technische Leiter.
Starthilfe vom Team des ttz Bremerhaven
Um darauf Zugriff zu bekommen, müssen sich Start-ups bislang um eine Kooperation mit der Industrie bemühen. Das hat häufig aber einen hohen Preis: „Das geht bis dahin, dass die Ideenentwickler nicht mehr allein darüber bestimmen können, was nach der Marktreife aus ihrer Idee wird“, weiß Jörg Rugen.
Die Unabhängigkeit der Gründerinnen und Gründer zu bewahren, ist integraler Bestandteil des Bremerhavener Food Hubs. Das Zentrum wird mit einem umfassenden Maschinenpark ausgestattet, wie er für die Produktion und Verpackung von flüssigen, cremigen oder festen Lebensmitteln erforderlich ist. Interessierte können zu bestimmten Paketpreisen Maschinen, Platz und Produktionszeit nutzen.
Sensorik-Labor kann genutzt werden
Anders als es häufig bei Partnerschaften mit der Industrie üblich ist, behalten die Entwicklerinnen und Entwickler die alleinigen Rechte an ihren Produkten. „Zudem können wir den Nutzern das ttz-Know-how zur Verfügung stellen“, verspricht Jörg Rugen. Das ttz verfügt nicht nur über eine große Kompetenz in der Lebensmitteltechnologie, sondern bietet mit einem eigenen Sensorik-Labor auch die Möglichkeit, neue Produkte auf den Geschmack der Verbraucherinnen und Verbraucher abzustimmen. Nicht zuletzt soll auch der Wirtschaftsstandort Bremerhaven von dem Angebot profitieren: „Im Hintergrund steht der Gedanke, dass sich die Start-ups nach der erfolgreichen Starthilfe hier in der Stadt Bremerhaven ansiedeln“, so Rugen.
Seine Wirkung soll das Zentrum aber weit über das Bundesland hinaus entfalten: „Wir richten uns bundesweit an Leute mit guten Ideen“, betont Jörg Rugen. Das müssen nicht zwingend Menschen mit einem beruflichen Hintergrund aus dem Lebensmittelbereich sein: „Viele gute Geschäftsideen stammen zum Beispiel von BWL-Studierenden“, ist Markus von Bargen überzeugt. „Und genau diese Ideen sind das, was für uns zählt“, betont er: „Das technische Know-how und die Erfahrung bei der Umsetzung von Ideen steuern wir dann bei.“
Auch Bremen startet Food Hub
Parallel zum Projekt in Bremerhaven wird in Kürze auch in der Schwesterstadt Bremen ein Food Hub entstehen. Das Land entwickelt dafür das bereits 2021 gestartete Gründungszentrum Hanse Kitchen zu einer Netzwerk- und Innovationsagentur. Sie soll Start-ups und bereits etablierte Unternehmen unterstützen, neue Ideen und Produkte auf den Markt zu bringen. Dazu gehört beispielsweise, ihnen Zugang zu Netzwerken zu verschaffen.
Autor: Wolfgang Heumer