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Sauberes Wasser ohne Chemie

Wissenschaftler des Bremerhavener Zentrums für Aquakulturforschung suchen nach dem perfekten Kreislauf für Fischzucht ohne Schadstoffe.

Es blubbert, brummt und zischt, riecht nach Alge und Fischfutter zwischen großen Kunststoffbecken: Die große Halle am Fischereihafen wirkt wie das Testfeld für eine neue Fischwelt und genau das ist sie auch. Die Wissenschaftler im Zentrum für Aquakulturforschung (ZAF) suchen nach dem perfekten geschlossenen Kreislauf für Fischzucht ohne Schadstoffe oder Umweltbelastung. Ihrem Ziel sind sie unerwartet nah und das mit einem Element, dass zunächst so wenig mit Wasser zu tun hat: Schall.

„Es gibt alle möglichen Filter und Verfahren, um das Wasser in Aquakulturen zu reinigen: Chemisch, mechanisch, biologisch“, zählt Kai Lorkowski auf, während der die Werte auf der Kontrollanzeige eines Zuchtbeckens kontrolliert. Kleine Wolfsbarsche schwimmen darin herum und genießen offensichtlich das klare Wasser. „Ultraschall“, nickt Kai Lorkowski und hat damit das ultimative Stichwort für die Forschungen am ZAF benannt.

Sauberes Wasser ist unverzichtbar

„Im Wasser von Aquakulturen bilden sich viele Bakterien. Futterreste, Kot der Fische, Urin – da ist einiges unterwegs. Damit das Wasser nicht zu oft ausgetauscht werden muss und die Fische gesund bleiben, ist sauberes Wasser unverzichtbar“, erklärt der Wissenschaftler. Hier kommt der Ultraschall ins Spiel. Die Bremerhavener Forscher wollen mit Hilfe dieser absolut sauberen Technik geschlossene Aquakulturkreisläufe erschaffen, die keine Chemie mehr brauchen.

„Wir beschallen das Wasser mit speziellen Lautsprechern, die Unterwasser installiert sind. Die Ultraschallwellen breiten sich im Wasser aus und erzeugen eine Reaktion bei den Bakterien“, erklärt Lorkowskis Kollege Mirko Bögner. „Durch die Ultraschallwellen beginnen die Bakterien zu schwingen. Je mehr sie schwingen, desto stärker dehnen sie sich aus – und platzen. Das kann man sich vorstellen wie einen Luftballon, der zu sehr aufgepustet wird.“

Getestet haben Kai Lorkoswski und Mirko Bögner außer Lautsprechern auch Ultraschallstäbe, die im Wasser installiert werden. „70 Prozent der Bakterien können wir bereits durch diese Methode aus dem Wasser entfernen. Das reicht natürlich nicht. Unser Ziel ist 100 Prozent sauberes Wasser“, sagen die beiden ZAF-Mitarbeiter. Dafür arbeiten sie unter anderem an der Frequenz des Ultraschalls und suchen die Modulation, auf die Bakterien schlagartig und umfassend reagieren.

Lachse als Versuchspartner

„Allerdings gibt es dabei ein Problem“, sagt Kai Lorkowski. „Die Fische reagieren auch auf den Ultraschall.“ Deshalb wurden die Bakterien getrennt beschallt und untersucht. Jetzt geht es darum, die Frequenz zu finden, bei der die Bakterien sich verabschieden, aber die Fische sich wohl fühlen. Aktuell sind Lachse die Versuchspartner. „Wir merken deutlich, dass die Fische sich bei bestimmen Frequenzen nicht wohl fühlen“, erklärt Mirko Bögner. „Sie zucken zum Beispiel zusammen oder schwimmen von der Ultraschallquelle weg.“ Gemessen wird der Stresspegel der Fische aber auch durch Blutentnahme. Hier zeigt der Cortisolwert ebenso wie bei einem Menschen, wie hoch der aktuelle Stresspegel ist.

Die Entdeckung des Ultraschalls für die umweltfreundliche Reinigung von Wasser ist ein großer Schritt zur Nachhaltigkeit in der Aquakultur. Auch wenn die Fische mit dem System noch leichte Schwierigkeiten haben, ist es doch eben genau für sie ein Vorteil – auch als schmerzlose Behandlung gegen Parasitenbefall. „Die Lachslaus ist ein Schädling, der besonders in Aquakulturen vorkommt und sehr schwer zu entfernen, ohne den Fischen zu schaden“, erklären die beiden Forscher. Im Versuch haben sie entdeckt, dass die Lachslaus mit Ultraschall ganz und gar nichts anfangen kann und abstirbt. Allerdings auch hier noch das Problem: Ist die Laus irritiert, ist der Fisch es auch. „Wir suchen jetzt nach der Intensität und Frequenz für den Ultraschall, die die Lachslaus eliminiert, aber dem Lachs nicht schadet“ so Bögner.

Ultraschall-Technologie bietet Potential für weltweite Trinkwasserversorgung

Und abgesehen von den Vorteilen für die Aquakultur und die Fische, bietet die Ultraschall-Technologie für das Reinigen von Wasser vor allem Eines: Ein immenses Potenzial für die Trinkwasserversorgung der Menschheit. „Das grundlegende Problem ist nicht nur unbedingt, dass es zu wenig Wasser gibt. Ein großes Problem ist, dass das Wasser an verfügbaren Stellen oft so verunreinigt ist, dass man es nicht trinken kann“, erklärt Kai Lorkowski. „Mit dem Ultraschall-Reinigungssystem lässt sich überall vor Ort eine Mini-Kläranlage aufbauen, die zum Beispiel über Solarenergie betrieben dann ein zu 100 Prozent unschädliches Ergebnis hätte  – für die Menschen und für die Umwelt.“


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