Solaroffensive Bremerhaven
Zur dunkelsten Zeit des Jahres scheint die Aussicht sonnig: Im Zuge der ersten Solarwerkstatt Bremerhaven streben Vertreter aus Verwaltung, Wirtschaft, Energieversorgung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eine Verdreifachung des jährlichen Solarausbaus für die Seestadt an.
Mehr als 30 Personen sind am 7. Dezember 2020 der gemeinsamen Einladung von Klimaschutzagentur energiekonsens und der BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH gefolgt und haben bei Bremerhavens erster Solarwerkstatt mitgewirkt. So unterschiedlich die Hintergründe und Meinungen der einzelnen Teilnehmenden, in einem sind sie sich einig: Bremerhavens Dächer bieten hohes Potenzial für Solarenergie. Ziel des Online-Workshops war es daher, Hemmnisse für Errichtung von Photovoltaikanlagen zu identifizieren und konkrete Strategien für einen verstärkten Ausbau von Photovoltaik (PV) in Bremerhaven auszuarbeiten. „Neben Windkraft muss Solarenergie eine deutlich größere Rolle spielen, damit wir unseren Energiebedarf von morgen nachhaltig erzeugen können“, so Martin Grocholl, Geschäftsführer der gemeinnützigen Klimaschutzagentur energiekonsens. „Wir wollen, dass 2021 den Beginn eines groß angelegten Ausbaus der lokalen Solarinfrastruktur markiert.“
Auftakt der Online-Veranstaltung machte Dr. Susanne Gatti, Umweltdezernentin und Wissenschaftlerin am Alfred-Wegener-Institut, die sich mit einem eindringlichen Grußwort an die Teilnehmenden richtete: „Die MOSAiC Expedition des AWI hat gezeigt, dass wir dringend an allen Orten – also auch lokal in Bremerhaven – Antworten auf den zügig voranschreitenden Klimawandel benötigen.“ Gatti sitzt auch als Vertreterin Bremerhavens in der Klimaschutz-Enquete-Kommission. Auf die Frage „Können wir das technisch und finanziell in Bremerhaven, und auch Bremen, hinkriegen?“ antwortete sie in voller Überzeugung: „Ja, sicher! Wir müssen es nur wollen.“ Ähnlich entschlossen zeigte sich die Mehrheit der Teilnehmenden: In einer abschließenden Abstimmung forderten 68 Prozent den Solarausbau in Bremerhaven zukünftig im dreifachen Tempo im Vergleich zur durchschnittlich installierten Leistung der vergangenen 20 Jahren anzugehen.
Bislang nur ein Prozent des Solarpotenzials genutzt
Wie hoch das Potenzial im nordischen Bremerhaven tatsächlich ist, zeigte eine von der swb AG beauftragte Auswertung des Solarkatasters aus dem Jahr 2017 von IP SYSCON GmbH, die von den Veranstaltern vorgestellt wurde: Rund 37.000 Dächer seien demnach für die Nutzung von Photovoltaik gut bis sehr gut geeignet. Das entspräche einer theoretischen Gesamtkapazität von bis zu 990 Megawatt Peak – Faktoren wie Statik oder baurechtliche Einschränkungen sind dort jedoch nicht bedacht. Derzeit wird nur gut ein Prozent dieses Solarkapitals genutzt, obwohl sich die Anschaffung laut Grocholl, in aller Regel nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch wirtschaftlich lohne.
Um den Ausbauzahlen Schwung zu verleihen, hatte die Bremer Bürgerschaft im Juni 2020 die Prüfung einer Solarpflicht für Neubauten beschlossen. Die Umsetzung in eine Gesetzesvorlage steht jedoch noch aus. Hildegard Kamp, Leiterin der Abteilung „Umweltwirtschaft, Klima- und Ressourcenschutz“ bei der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau erläuterte den Anwesenden die Schwierigkeiten ein eigenes Landesgesetz mit dem bundesweit gültigen Gebäudeenergiegesetz in Einklang zu bringen. „Am Einfachsten ist es, wenn die Stadt Grundstücke besitzt und verkauft.“, erklärte Kamp. So ließen sich sämtliche Bedingungen im Zuge des Verkaufs verhandeln. Derzeit prüft das Ressort eine Einbindung der Solar-Pflicht in das bereits vorangeschrittene Landeswärmegesetz.
Mit konkreten Projektvorhaben beginnen
Wie das Photovoltaik-Potenzial auch ohne Pflicht in der Praxis gehoben werden kann, veranschaulichte Referent Sebastian Averdung, der mit seinem Planungsbüro Averdung Ingenieure und Berater GmbH in den vergangenen zehn Jahren große Photovoltaikvorhaben in Hamburg und Berlin projektiert und umgesetzt hat. Oftmals wurden diese Projekte von der Kommune beauftrag und als Joint Venture mit unterschiedlichen Akteuren aus der der Kommune, der Energie- und Finanzwirtschaft und dem privaten Sektor realisiert. „Durch die Planung konkreter und abgesteckter Projekte, können große Mengen an PV-Leistung in einer Stadt umgesetzt werden“, so Averdung. „Es ist wichtig vom Planen ins Handeln zu kommen.“ Mithilfe von externen Anbietern sei es Städten so möglich fehlendes Knowhow in der Verwaltung einzukaufen und klare Zuständigkeiten für die Umsetzung und den Erfolg zu vergeben.
Mehr politischer Mut und öffentlichkeitswirksame Kampagnen gefordert
In der Abschlussrunde forderten die Teilnehmenden vor allem ein größeres Bekenntnis der Bremerhavener Politik und aller großen Wirtschaftsakteure zum Thema Solar. „Auch Unternehmen können einen wichtigen Beitrag zum Thema Solar leisten“, bekräftigte Nils Schnorrenberger, Geschäftsführer der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung BIS und Co-Veranstalter. „Als Wirtschaftsförderer wollen wir Unternehmen zu diesem Schritt ermutigen, sie informieren und dabei unterstützen. Als ersten Schritt wollen wir nun Bedarfe und etwaige Hemmnisse bei Bremerhavener Betrieben abfragen, um passgenaue Angebote schaffen zu können.“ Zusätzlich wurde die Bedeutung und Ausweitung von Öffentlichkeitskampagnen wie der bereits existierenden Kampagne „Solar in Bremen und Bremerhaven“ von den teilnehmenden Akteuren hervorgehoben. Die Veranstaltung endete mit dem Bekenntnis sich zukünftig wieder zu diesem Thema zusammen zu finden. „Die Solarwerkstatt war ein guter Auftakt“, so Schnorrenberger. „Ich freue mich auf den weiteren Austausch und darauf, das Thema Solar in Bremerhaven voranzubringen.“