Wer weniger isst, hat mehr davon: Kein Platz für Lebensmittelverschwendung im 4-Sterne-Hotel
Mit fast 150 Metern Höhe ist das Atlantic Hotel Sail City das höchste Gebäude in Bremerhaven. Mindestens ebenso groß ist im Haus der Einsatz für die Umwelt. Direktor Tim Oberdieck und sein Team gehen seit gut fünf Jahren immer neue Themen für den respektvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen an. Das „Reste-Essen“ ist nur eines von vielen Projekten und wesentlich leckerer, als der Name vermuten lässt.
„Essen ist etwas sehr Wertvolles“, sagt Hoteldirektor Oberdieck. Er ist auf dem Weg ins Restaurant im Erdgeschoss.. „Wir haben einfach Folgendes überlegt: Was können wir mit dem tun, was wir haben und wie können wir die Menge an Essensabfällen verringern.“ Das Ergebnis wartet hinter den beiden Flügeltüren am Eingang zur Küche. Vincent Hackstein, stellvertretender Küchenchef im Sail City Hotel, steht an einer der silber-glänzenden Metallarbeitsflächen und hantiert gerade mit Gemüseabschnitt.
„Karottenrinde, Kartoffelschalen, Tomatenenden – alles das muss man nicht wegwerfen, sondern kann etwas Leckeres daraus zaubern“, lacht der 36-jährige. Vincent Hackstein liebt seinen Beruf und die vielen Möglichkeiten, die Lebensmittel bieten. „Nehmen wir zum Beispiel den Abschnitt hier. Das ergibt in der richtigen Zubereitung einen tollen Gemüsefonds zum Kochen. Warum soll ich stattdessen etwas Vorproduziertes kaufen?“, fragt er. Ganzheitliches Kochen lautet das Zauberwort in der Küche des Sail City Hotels.
Auf dieser Basis sind Tim Oberdiek und sein Team längst andere Wege gegangen. „Wir veranstalten hier bei uns einmal im Jahr das „Reste“-Essen“. Wir wollen möglichst vielen Leuten zeigen, dass man sich mit Genuss von der Wegwerf-Gesellschaft beim Thema Essen verabschieden kann“, erklärt Tim Oberdiek. Gekocht wird mit Dingen, die woanders im Essensabfall landen. Zudem ist das Hotel auch Mitglied in der internationalen Initiative United Against Waste (Gemeinsam gegen Verschwendung). Um die Essens-Abfälle im Hotelbetrieb zu verringern, wurde sogar der tägliche Rücklauf auf den Tellern aus dem Restaurant penibel genau gewogen und per Computer erfasst.
„Dadurch konnten wir die optimale Essensmenge pro Gast ermitteln. Vor gut fünf Jahren hatten wir im Schnitt noch um die 140 Gramm Rücklauf pro Teller. Heute hat sich diese Zahl auf gut 70 Gramm – also um die Hälfte – reduziert“, ist Vincent Hackstein begeistert. Die Portionen sind damit fast optimal auf die Gäste zugeschnitten. Und wer etwas nachhaben will, bekommt selbstverständlich einen Nachschlag. Darauf wird schon beim Servieren hingewiesen. Die Gäste wissen den kostenlosen und charmanten Service-Gedanken zu schätzen. Durch das ökologische Miteinander produziert das Sail City Hotel deutlich weniger Essensabfall: Allein im Jahr 2016 sind fast 2000 Liter weniger Speisereste im Abfalleimer gelandet.
Zum Gesamtkonzept gehört sogar, dass die einzelnen Butterportionen auf den Tischen genau auf die Größe der Brötchen abgestimmt sind. „Wir lassen extra passende Brötchen dafür backen, damit keine Butter verschwendet wird“, sagt Tim Oberdieck stolz. In diesem Moment springen an der Essensausgabe die rötlich-leuchtenden Warmhalte-Lampen über der Arbeitsfläche an. Der Mittagsbetrieb beginnt. „Aber“, saust Vincent Hackstein gut gelaunt auf der anderen Seite des Tresens heran, „das war nicht immer so. Wir haben einen Sensor eingebaut. Die Lampen springen nur an, wenn auch wirklich etwas druntersteht, das warm gehalten werden muss.“ In den meisten anderen Restaurants laufen die Wärmelampen durchgehend. „Was da an Energie rausgeht“, schüttelt Tim Oberdieck den Kopf.
Beim Einsatz für die Umwelt ist das Atlantic Sail City Hotel noch längst nicht am Ende angekommen. Die Energie soll bestenfalls nur noch von Ökostrom-Anbietern kommen, die Energieeffizienz der Elektrogeräte in der Küchewird weiter optimiert und es geht vor allem auch um die kleinen Dinge. Genauer gesagt: Um Bienen. Auf dem Dach des hoteleigenen Konferenz-Zentrums stehen während der warmen Jahreszeit tatsächlich Bienenstöcke mit rund 240.000 der fleißigen Pollensammlerinnen.
Der „Seestadthonig“ wird vom befreundeten Imker geerntet, geschleudert und direkt im Hotel zum Frühstück serviert. „Lecker“, schwärmt Tim Oberdieck. Dass es auch noch hauseigene Brötchen dazu gibt, die im Durchmesser der Buttermenge angepasst sind, lässt nur einen Schluss zu: Endlich ist es mal positiv, dass jemand kleine Brötchen backt.