Landstrom in Sicht
Bis zum Jahr 2035 sollen die Überseehäfen in Bremerhaven CO2-neutral sein. Landstrom für Schiffe ist ein wichtiger Teil dieser Strategie. Fünf Millionen Euro hat die EU jetzt an Fördergeldern bewilligt. Bereits 2025 will die Hafengesellschaft Bremenports die ersten Groß-Schiffe in Bremerhaven mit Landstrom versorgen. Bremenports-Chef Robert Howe spricht im Interview über grüne Hafenperspektiven und Geldbedarf.
Herr Howe, wie wichtig ist die Landstromversorgung von Schiffen aus Ihrer Sicht?
Robert Howe: Einst waren Schiffe absolut emissionsfrei. Die Schifffahrt hat sich auf den Weg gemacht, genau das wieder zu erreichen – dieses Mal vielleicht nicht ausnahmslos mit Segeln, sondern mit neuen Energieträgern wie etwa Methanol oder Ammoniak. Bis es allerdings soweit ist, können wir mit Landstromanlagen dafür sorgen, dass die Schiffe zumindest in den Häfen abgasfrei mit Grünem Strom statt Schiffsdiesel betrieben werden.
Ist das Thema „greenports“ ein wesentlicher Antrieb für die Umsetzung dieser Strategie?
Robert Howe: Tatsächlich passt das Thema Landstrom sehr gut in unsere Greenports-Strategie. Wir haben uns ja sehr ambitionierte Ziele vorgenommen und wollen beispielsweise den Überseehafen mit den Hafenunternehmen bis 2035 CO2-neutral entwickeln. Um das zu erreichen, wird Landstrom eine Rolle spielen. Zudem werden entsprechende Landstromangebote aufgrund entsprechender Vorgaben aus der EU ab 2030 verpflichtend für alle europäischen Häfen für Schiffe größer 5000 BRZ, also nahezu alle Schiffe in unseren Häfen. Wir müssen also so oder so an das Thema ran.
Die EU hat nun fünf Millionen Euro für die Landstromversorgung in Bremerhaven bereitgestellt. Was genau wollen Sie damit umsetzen?
Robert Howe: Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass wir die entsprechende Projektausschreibung mit unseren Ideen zur Landstromversorgung gemeinsam mit unseren Partnerhäfen gewonnen haben. Und natürlich sind 5 Millionen Euro eine Menge Geld. Gleichzeitig muss man allerdings wissen, dass wir von Ausgaben in Höhe von rund 10 Millionen Euro pro Landstromanlage ausgehen – und davon brauchen wir einige. Mit dem Fördergeld der EU können wir also eine halbe Anlage finanzieren.
Manche Leute meinen, Landstrom bedeutet, Schiffe einfach an die Steckdose anzuschließen. Wie aufwändig ist das Projekt technisch?
Robert Howe: Ja, das wäre tatsächlich schön, wenn wir einfach ein Verlängerungskabel und ab und zu eine Dreifachsteckdose in den Hafen legen könnten. Dass das so einfach nicht geht, wird allerdings klar, wenn man weiß, dass ein modernes Containerschiff, genau wie ein großes Kreuzfahrtschiff durchaus so viel Strombedarf haben kann, wie eine Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern. Entsprechend aufwändig und teuer ist die Installation einer derartigen Anlage.
Ist das der erste Landstromanschluss in den Bremerhavener Überseehäfen?
Robert Howe: Tatsächlich haben wir bislang entlang der Stromkaje noch keinen Anschluss für die großen Containerschiffe. Binnenschiffe werden indes schon seit längerem über entsprechende Anlagen in Niederspannung mit Landstrom versorgt.
In welchem Bereich der Kajen und Abfertigungsbereiche wollen Sie Landstromanschlüsse installieren?
Robert Howe: An der Stromkaje – also auf der knapp 5 Kilometer langen Containerkaje – sollen insgesamt drei Anlagen installiert werden. Eine davon stationär und zwei als mobile Anschlusspunkte, die dann auf Schienen verschiebbar sind, je nachdem wo genau das jeweilige Schiff anlegt. Zudem soll eine Landstromanlage an der Columbuskaje für die Kreuzfahrtschiffe und eine weitere im Kaiserhafen für die Autotransporter entstehen.
Warum dort?
Robert Howe: Das erklärt sich eigentlich von selbst: Weil das die Bereiche sind, in denen die großen, energieverbrauchsstarken Schiffe festmachen.
Wann geht es mit dem Bau los und wann wollen Sie das erste Mal ans Netz gehen?
Robert Howe: Die Bauvorbereitungen, beispielsweise die Verlegung entsprechender Kabel, laufen schon. Im nächsten Jahr soll es dann zunächst am Container- und am Kreuzfahrtterminal mit dem Bau losgehen, und wenn alles klappt, hoffen wir dort die ersten Schiffe schon 2025 mit Landstrom versorgen zu können.
Wird es vorher eine Probephase geben und falls ja: Mit welchem Schiff? Auch die Schiffe müssen ja für den Bezug von Landstrom ausgerüstet sein und eine Probephase wird sicher mehr als den einmaligen Anschluss eines Schiffes vor dem Start im Realbetrieb beinhalten.
Robert Howe: Jedes einzelne Schiff, das Landstrom bei uns beziehen will, wird vorher ein Zertifizierungsverfahren durchlaufen müssen, bei dem dann unter anderem nachgewiesen werden muss, dass das Schiff die geltenden Standards einhält. Zudem wird es für jedes einzelne Schiff einen einmaligen Integrationstest geben. Wenn das jeweilige Schiff dann zum wiederholten Mal kommt, entfällt das alles – und das Team, das im Hafen sozusagen „den Stecker“ ins Schiff steckt, kann umgehend loslegen.
Auch diese Arbeit ist allerdings weitaus anspruchsvoller als es klingt…
Robert Howe: Ja, so ist es. Das landseitige Anschlussteam wird aus jeweils zwei Beschäftigten bestehen, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen im vollkontinuierlicher Wechselschichtbetrieb – also 24/7 – arbeiten. Darüber hinaus müssen die Mitglieder der Teams geschulte Elektrofachkräfte mit nachgewiesener Qualifikation, Berufserfahrung und einer sogenannten Schaltberechtigung für elektrische Anlagen sein. Ach ja – und Englisch ist auch Pflicht, denn schließlich müssen sie auch mit den internationalen Besatzungen kommunizieren können.
Die gesamte Investitionssumme für Landstromanschlüsse in den Überseehäfen in Bremerhaven wird mit rund 50 Millionen Euro angegeben – abzüglich der fünf Millionen Euro EU-Förderung. Woher kommen die restlichen 45 Millionen Euro?
Robert Howe: Die Frage ist berechtigt, denn es geht um eine Menge Geld, aber letztlich eben auch um einen echten Beitrag zum Klimaschutz. Einen großen Teil der Summe hat der Senat bereits freigegeben, dazu gibt es eine deutliche Förderung durch den Bund und letztlich wird der Gesamtbetrag ja auch nicht ad hoc fällig, sondern über mehrere Jahre. Keine Frage: Die Landstromversorgung ist finanziell kein Pappenstiel, aber am Ende auch aufgrund der EU-Vorgaben unabdingbar.
Reicht die Anzahl dieser Anschlüsse bei der täglichen Schiffsmenge in Bremerhaven aus? Bis 2035 soll die CO2-Neutralität in den Überseehäfen erreicht sein.
Robert Howe: Für den Moment: Ja. Langfristig, wenn die Nutzung von Landstrom hochläuft und mehr und mehr Schiffe entsprechend ausgerüstet sind: Nein. Dass wir jetzt aktuell erst einmal mit der Errichtung von fünf Anlagen starten, ist schon einmal ein erster, großer Schritt. Letztlich sollen aber alle Liegeplätze im Überseehafen entsprechend ausgestattet werden.