Grüner Wasserstoff im Großformat
Wasserstoff mit regenerativer Energie herzustellen – daran forscht das Fraunhofer IWES in Bremerhaven. Was vor einigen Jahren als Idee begonnen hat, ist nun konkret. Auf dem großangelegten Testfeld am ehemaligen Flugplatz Luneort stellt das IWES mit dem Hydrogen Lab Bremerhaven die Weichen für die grüne Wasserstoff-Zukunft von Industrie und Wirtschaft.
„Das ist schon ein spannendes Projekt, Seit September 2023 sind wir hier im Probebetrieb und jetzt kurz davor, in den regulären Betrieb zu gehen“, sagt Kevin Schalk, Gruppenleiter des Projektes Hydrogen Lab Bremerhaven am Fraunhofer IWES. Er steht oben auf der Besucherplattform am Rand des Testfeldes und lässt seinen Blick über das Gelände schweifen. Eng aneinander stehende Container, in der Sonne blinkende Metallrohre, gebogene Abluftschächte, zylindrische und runde Tanks, Leitungen – die Anlage könnte ebenso gut auf dem Mars als Basis für Terra-Forming stehen.
Mit grünem Wasserstoff in die Zukunft
„An der Zukunft arbeiten wir wirklich – aber anders“, schmunzelt Kevin Schalk. Wie das genau aussieht, erklärt er beim Gang um das eingezäunte Gelände. „Es gibt hier nicht nur einen Elektrolyseur, sondern verschiedene Verfahren. Wir wollen sehen, welches Prinzip unter welchen Bedingungen den ergiebigsten und stabilsten Wasserstoff erstellt.“ Dazu gehören zwei verschiedene Arten von Elektrolyseuren, die den Wasserstoff mit Hilfe einer Membran, Strom und Elektroden produzieren.
„Das Ziel ist natürlich, Grünen Wasserstoff herzustellen – also unter Verwendung von Strom aus einer regenerativen Quelle. Auch, um Energieüberschüsse aus der Windkraft sinnvoll im Wasserstoff zwischenzuspeichern“, betont Schalk. Der Ort dafür könnte nicht besser sein. Direkt neben dem Testfeld steht ein Acht-Megawatt-Windrad der Firma Adwen. Das IWES selber war bei der Optimierung des Prototypen vor einigen Jahren beteiligt. Aktuell wurde schon Grüner Wasserstoff mit Strom aus der Windenergieanlage hergestellt. Angeschlossen ist das Hydrogen Lab aber auch an das Stromnetz des benachbarten, hauseigenen DynaLab – dem Teststand für Windrad-Gondeln – um den Realbetrieb mit Windkraft zu simulieren.
Von Wasserqualität bis zum Strombedarf
„Elektrolyseur heißt aber nicht nur, wir machen aus Wasser mal eben Wasserstoff. Die Wasserqualität muss passen, die Wasserstoffqualität muss passen und auch die Stromqualität muss passen“, betont der Ingenieur. Denn um Wasserstoff im Elektrolyseur herzustellen, wird auch eine bestimmte Stromspannung benötigt. Fällt die Netzspannung zum Beispiel unter einen kritischen Wert ab, muss das ausgeglichen werden. Andernfalls kann es passieren, dass Elektrolyseure aus der Produktion aussteigen und abschalten.
„Das heißt für Grünen Wasserstoff aus Windkraft: Wenn wir unsere Stromversorgung immer stärker auf erneuerbare Energie auslegen, brauchen wir eine Einflussmöglichkeit, um eine Unterdeckung oder eine Überproduktion zu kompensieren“, erklärt der Projetleiter. Das bedeute aber nicht, dass das normale Stromnetz mit Energie aus konventionellen Quellen ganz selbstverständlich verlässlich laufe. Auch hier müsse die vorliegende Spannung von den Anbietern ständig überwacht und bei Bedarf ausgeglichen werden. „Es kommt immer darauf an, wer wann wo wieviel Strom aus dem Netz zieht“, sagt Kevin Schalk.
Wasserstoff in der Industrie
Das IWES will mit dem Hydrogen Lab bei existierenden Systemen in einem realen Szenario prüfen, bewerten und dann auch Aussagen treffen, welche Technologie wann welche Vorteile hat oder optimal im Betrieb laufen kann. Das Ziel ist, Erfahrungen zu sammeln und so die Entwicklung der Wasserstoff-Technologie zu beschleunigen. Sobald das Hydrogen Lab in den Regelbetrieb geht, sollen auch Kunden aus der Privatwirtschaft die Chance haben, ihre Systeme in Bremerhaven testen zu lassen.
Dafür sind direkt neben dem Hydrogen Lab acht Stellplätze im Containerformat vorgesehen, wo Elektrolyseure auf Herz und Nieren geprüft werden können. „Da geht es um den Dauerbetrieb der Anlagen, um Stromschwankungen, Wasserstoff-Qualität und anderes“, so Schalk. Benötigt wird Wasserstoff unter anderem in der chemischen Industrie in großen Mengen. „Weltweit sind das jährlich rund 50 Millionen Tonnen. Dieser Bedarf wird aktuell noch mit Energie aus fossilen Rohstoffen hergestellt – was entsprechende Emissionen zur Folge hat.“
Aber auch die Ölindustrie hat für die Herstellung ihrer Produkte großen Bedarf an Wasserstoff – bestenfalls emissionsneutral aus der grünen Produktion und mit Elektrolyseuren vor Ort. „Eine Möglichkeit wäre, für Ölraffinerien mit Elektrolyseuren in Modulbauweise individuelle Lösungen direkt vor Ort anzubieten“, sagt Kevin Schalk. Auch die Produktion von Grünem Wasserstoff direkt in Offshore-Windparks hat das IWES im Blick. Das erklärt das große runde Becken neben den Elektrolyseuren auf dem Testfeld. Hier wird versucht, aus Meerwasser taugliches Wasser für die Wasserstoff-Produktion herzustellen. Bisher wird Trinkwasser für die Elektrolyseure genutzt und dafür vorher gereinigt.
Details zum Projekt
Aktuell haben die beiden Elektrolyseure des Hydrogen Lab eine Leistung von jeweils einem Megawatt. Damit soll die generelle Funktionsfähigkeit der Elektrolyseure im Zusammenspiel mit erneuerbarer Energie und speziell Windenergieanlagen getestet werden. Der im Hydrogen Lab produzierte Wasserstoff wird in Niederdruckspeichern gelagert. Für den Transport wird er verdichtet und in Hochdruckspeichern umgefüllt. Genutzt wird der Grüne Wasserstoff hauptsächlich für die Betankung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen wie Bussen und perspektivisch auch für Lkw oder Züge. Gefördert und finanziert wird das Hydrogen Lab vom Land Bremen und der EU. Das Gesamtprojekt hat laut IWES ein Volumen von rund 20 Millionen Euro.