Ohne Schiffsführer emissionsfrei in die Zukunft
In Bremerhaven wird an einer autonom fahrenden Fähre geforscht.
Den Traum vom Fliegen haben die Menschen sich schon erfüllt. Der Traum vom selbstfahrenden Schiff steckt noch in den Kinderschuhen. In Bremerhaven soll zukünftig eine autonome Fähre durch den Fischereihafen fahren. Der Clou: das Boot fährt nicht nur selbstständig, sondern auch noch ohne Emissionen. Läuft der Prototyp reibungslos, wollen die Entwickler in die Serienproduktion für größere Personenfähren gehen.
Die Boots-Form ist schon zu erkennen und auch Zugangsschächte für die spätere Technik sind bereits gelegt. In der Ausbildungswerkstatt der Lloyd-Werft wird fleißig geschweißt, gehämmert und geschwitzt. Das Ziel: die Personenfähre so bald wie möglich in Fahrt bringen, denn für die Selbstständigkeit hat das 3 Meter mal 1,80 Meter große Boot noch Einiges zu lernen.
„Diese Fähre bekommt jede Menge Technik an Bord, damit sie problemlos fährt. Wasserwege, Umgebung, Anlegestellen – alles das muss sich die Software merken, damit An- und Ablegemanöver sowie die Fahrt im Fischereihafenhafenbecken 1 reibungslos laufen“, erzählt Andreas Wellbrock. Der Unternehmer hatte die Idee für das Projekt, hat die Rönner-Gruppe und die Lloyd-Werft mit ins Boot geholt.
Der Prototyp ist aus leichtem Aluminium und zunächst für zwei Personen ausgelegt. Um führerlos fahren zu können, braucht das Boot künstliche Augen und Ohren. „Wir installieren Videosysteme mit Bilderkennung, ein Radarsystem, verschiedene Sensoren und GPS“, sagt Markus Langer, Konstruktionsleiter der Bremerhavener Lloyd-Werft. Zusammen mit dem dualen Studenten Frederik Zink betreut er den Bau der kleinen Fähre. Zink hat im Rahmen seiner Bachelorarbeit das Design des Prototypen übernommen.
„Ich habe mich für einen Doppelrumpf entschieden, also einen Katamaran. Das bringt dem Schiffskörper mehr Stabilität, wenn die Leute ein- und aussteigen“, betont er. Eine Herausforderung: Die Fähre soll barrierefrei sein und auch für Radfahrer problemlos nutzbar. Die Lösung: Das so genannte Freibord, also die Höhe der Aufbauten auf dem Deck ist mit rund 40 Zentimetern recht niedrig und passt exakt zu den geplanten Anlegestellen für den Fährbetrieb. Zink: „Wenn die Fähre anlegt, geht das praktisch nahtlos vom Anleger zur Bordwand über.“
Ausgestattet wird die kleine Personenfähre zunächst mit Batterien, damit die vier Unterwasser-Elektromotoren betrieben werden können. Auch die Manövriertechnik wird dadurch mit Energie versorgt. Das Gesamtkonzept für die Ausstattung hat die Bremer Firma Marinom übernommen. Mit Videoaufnahmen, Programmierung der Software und Testfahrten wird die Fischereihafenfähre so konzipiert, dass sie die gesamte Umgebung kennt und auf jede Eventualität reagieren kann. Schon im Mai dieses Jahres soll die erste Fahrt im Fischereihafen stattfinden.
„Unser Plan ist, den Betrieb dann sobald wie möglich mit einer größeren Variante aufzunehmen. Diese Fähre soll dann auch real von Leuten genutzt und zum Beispiel per App über das Smartphone gerufen werden“, sagt Andreas Wellbrock. Arbeiter im Fischereihafen zum Beispiel, die sonst per Rad immer ums gesamte Hafenbecken fahren müssten oder auch Touristen, die das Hafenbecken überqueren wollen. Im geplanten Werftquartier im Fischereihafen wäre die Fähre laut Wellbrock ebenfalls gut als Shuttle einsetzbar.
Die größere Fähre soll für gut 15 Personen ausgelegt sein und dann noch „grüner“ fahren. „Die jetzigen Batterien sind nur für den Prototypen. Wir arbeiten mit dem Fraunhofer IWES hier in Bremerhaven zusammen. Im Realbetrieb soll die Fähre mit grünem Wasserstoff fahren, also mit Brennstoffzellen“, erklärt Wellbrock. Gefördert wird das Projekt Autonome Fähre von der Bremer Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation mit 250.000 Euro.
Langfristig soll die visionäre Fähre aber nicht nur in Bremerhaven fahren. Andreas Wellbrock: „Alle Städte weltweit mit Wassertaxen sind generelle Abnehmer einer autonom und zuverlässig fahrenden Fähre. Läuft das System, wäre es zukünftig auch in der Berufsschifffahrt für den Schiffsverkehr ohne Brückenbesatzung einsetzbar. Es gibt immer weniger Schiffsführer.“ Unter anderem deshalb hat auch der Hafenkapitän in Bremerhaven großes Interesse am Projekt „Autonome Fähre“: Regelungen für den Betrieb von Schiffen ohne Kapitän gibt es in Deutschland noch nicht – und die Zukunft kommt bestimmt.