Die Windforscher von Bremerhaven
Bremerhaven entwickelt sich immer mehr zu einem wichtigen Standort für Wissenschaft und Forschung. Am Fraunhofer-Institut für Windsysteme arbeitet Arno von Wingerde als Chief Scientist daran, Windenergie noch effizienter zu machen. Im Green Economy Blog erklärt er, warum er den politischen Willen vermisst, diese Energieform stärker zu nutzen.
Energie aus Windkraft ist längst wirtschaftlich. Die Technik ist vorhanden – es mangelt nur am Willen zur konsequenten Umsetzung. Wenn ich Debatten darüber höre, in denen sich darüber beschwert wird, dass das Land „voller Windmühlen“ stehe, kann ich nur den Kopf schütteln.
Für meinen Geschmack passiert immer noch zu wenig. Der Klimawandel kann nur gebremst werden, wenn wir als Gesellschaft unser Verhalten ändern. Wenn wir anders konsumieren, uns anders fortbewegen und weg kommen von den fossilen Energieträgern. Die Windenergie spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich vermisse den politischen Willen, sie stärker zu nutzen.
Jeder von uns spürt längst, dass der Klimawandel im Gange ist. Wir bekommen längere und härtere Hitzeperioden im Sommer. Extreme Kälte kann im Winter auftreten. Es passiert jeden Tag, doch wir machen es uns weiterhin bequem mit unserem vermeintlichen Komfort. Ich fürchte beispielsweise, dass unsere mitteleuropäischen Wälder dem Wandel so nicht gewachsen sind. Oder dass bisher wirklich niemand prognostizieren kann, welche Auswirkung beispielsweise das Auftauen des Permafrostbodens haben kann. Um zu sehen, was täglich um uns herum passiert, braucht man keine wissenschaftliche Ausbildung. Wo wird das noch hinführen? Wieso lassen sich so viele Menschen immer noch beruhigen und in dieser falschen Sicherheit wiegen?
Ich arbeite als Chief Scientist in einem Traumjob. Ich habe große Freiheiten das zu tun, was ich für wichtig halte. Ich bin vollständig für die wissenschaftliche Tätigkeit abgestellt: organisiere Forschungsprojekte von der Konzeption bis zur Umsetzung und nehme an internationalen Konferenzen teil.
Das Fraunhofer IWES gehört zum Forschungsverbund Windenergie, einem Zusammenschluss verschiedener Einrichtungen, in dem das Knowhow von insgesamt 600 Mitarbeiterinnen gebündelt wird. In der großen Rotorblatthalle neben dem IWES in Bremerhaven sorgen wir dafür, dass Energiegewinnung durch Wind noch effizienter wird. Ich halte es für einen wichtigen Hebel: Wenn regenerative Energie günstiger wird, handeln wir zum Wohle des Klimas.
Wir testen Rotorblätter vieler Hersteller und wir forschen für die Industrie. Die Arbeit in den Prüfhallen ist geheim. Die Hersteller müssen sich drauf verlassen können, dass die Feinheiten ihres Produkts gut geschützt sind. Wir achten entsprechend sorgsam darauf, wer unsere Forschungseinrichtungen betritt.
Vor einigen Monaten hatten wir sehr prominenten Besuch: das niederländische Königspaar war bei uns in der Rotorblatthalle zu Gast. Das hat mich als Wissenschaftler und besonders als niederländischer Bürger gefreut. Ich finde König Willem-Alexander und Máxima auch persönlich sympathisch. Ein Foto des königlichen Besuchs ziert jetzt natürlich mein Büro.
Bevor mich mein Beruf nach Bremerhaven verschlug, hatte ich zu zur Stadt gar keine wirkliche Idee. Ich habe unsere Stadt mittlerweile sehr schätzen gelernt und mir auf dem Land ein Häuschen gekauft. Man kann hier gut leben, besser als in so mancher Großstadt. Abends auf dem Deich zu sitzen, um die Sonne auf der Weser versinken zu sehen, das macht mich zufrieden.
Ich hoffe nur, dass der Deich noch lange stehen wird.
Arno van Wingerde, Jahrgang 1961, wurde in Den Haag geboren. Er ist nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Bauingenieur und lebt in der Nähe von Bremerhaven.
Der Text ist ein Auszug aus dem BIS-Buch „Wir sind Bremerhaven. Eine Seestadt auf dem Weg in die Zukunft.“