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Alge macht Salzwasser süß

Sie ist widerstandsfähig, voller Nährstoffe und findet sich fast überall im Wasser: die Spirulina Alge.

In einem aktuellen Umweltprojekt des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) sorgt sie im wahrsten Sinne des Wortes für den grünen Charakter – denn ihre Farbe ist: Grün. Die Projektgruppe um Dr. Stephan Ende hat Großes vor mit dem Start im kleinen Versuchscontainer. Mit Hilfe von Spirulina platensis wollen sie versalztes Wasser in Süßwasser umwandeln.

Die Zielgruppe dabei ist zunächst vierbeinig: Es sind Kühe. Denn das versalzte Problem liegt praktisch direkt vor der Haustür des AWI an der Weser. Das Flusswasser versalzt zunehmend – unter anderem durch die Flussvertiefung, die mehr Salzwasser aus der Nordsee in Richtung Binnenland bringt. „Dadurch verschiebt sich die Brackwasserzone – also der Bereich, wo sich Süßwasser mit Salzwasser vermischt – immer weiter flussaufwärts. Versalztes Wasser dringt damit in die Wiesenbereiche der Wesermarsch ein“, erklärt Stephan Ende.

In der Folge versalzen auch die Gräben, aus denen die Kühe ihr Trinkwasser erhalten. Die Tiere bekommen Durchfall und die Milch verliert deutlich an Qualität. Mit Hilfe der Spirulina-Alge soll das zukünftig anders werden. „Wir arbeiten daran, den Salzgehalt im Wasser auf unter zwei Prozent zu bringen“, sagt AWI-Mitarbeiter Albert Beyer. „Nordseewasser hat rund 30 Prozent Salz, Brackwasser hat gut zehn Prozent Salzgehalt.“

Die Versuche der Forschungsgruppe im blauen Container auf dem AWI-Gelände am Bremerhavener Handelshafen sind vielversprechend. In den Regalen wachsen Spirulina-Algen in Glaskolben und verschiedenen Lösungen vor sich hin. „Wir finden gerade noch heraus, mit welchen Lichtverhältnissen und Nährstoffen die Algen sich am besten vermehren und das Salz optimal aus dem Wasser ziehen“, sagt Stephan Ende. Dabei ist die Ziellinie bereits in Sicht, denn von den kleinen Glaskolben sind Teile der Algen bereits in Algen-Beutel umgezogen – lange Kunststoff-Schläuche mit einem Fassungsvermögen von 15 Litern.

„Damit skalieren wir das Projekt immer größer. Anfangs haben wir für die Entsalzungsversuche noch Salzsole aus der Biologischen Anstalt Helgoland genommen. Dort wird Meerwasser für die Herstellung von Trinkwasser genutzt. Jetzt nehmen wir in großem Stil Wasser aus der Weser und haben damit 1:1 die Wasserverhältnisse hier vor Ort“, schildert Mitarbeiter Albert Beyer. Die Spirulina-Algen fühlen sich offensichtlich wohl. Die Flüssigkeit in den runterhängenden Schläuchen in dem Gerüst ist tiefgrün.

„Aktuell planen wir, den Versuch in einem 1000-Liter-Wassertank fortzuführen. Klappt das reibungslos, dann sind wir bereit für den nächsten großen Schritt auf dem Weg in die praktische Umsetzung für die Landwirte in der Wesermarsch“, sagt Stephan Ende. Konkret bedeutet das einen Bio-Testreaktor mit einem Volumen von mindesten zehn Kubikmetern und entsprechender Lichttechnik für das optimale Wachstum der Spirulina-Algen – und damit eine bestmögliche Wasserentsalzung. Entstehen soll die Anlage im Technologiezentrum Nordenham auf der anderen Weserseite in der Wesermarsch.

„Letztendlich soll später bestenfalls jeder betroffene Landwirt dort eine solche Station in verkleinertem Ausmaß betreiben und entsalztes Wasser für die Kühe und die Bewässerung bekommen“, erzählt Stephan Ende. Doch was passiert eigentlich mit den Spirulina-Algen, die als Endprodukt in der Entsalzungsschleife in entsprechenden Mengen anfallen? Auch darüber hat das Forschungsteam am AWI schon nachgedacht.

„Spirulina-Algen produzieren zum Beispiel einen speziellen blauen Farbstoff, der in der Lebensmittel-Wirtschaft oder der Kosmetikindustrie sehr begehrt ist“, erklärt Albert Beyer. „Außerdem enthalten die Algen jede Menge Nährstoffe und Spurenelemente. Die Nahrungsergänzungsmittelbranche kann das gut gebrauchen. Insgesamt also eine WIN-WIN-Situation.“ Unter anderem deshalb wird das Projekt von der Metropolregion Nordwest mit 68.000 Euro unterstützt – und hat durchaus das Potenzial, weit über die Wesermarsch hinaus zu wachsen.

So lässt sich das ökologisch entsalzte Wasser auch in Regionen einsetzen, wo der Obst- und Gemüseanbau durch die Bewässerung mit Hilfe von Meerwasser möglich wäre. Und der noch größere Schritt geht in die Energieproduktion: Auch die Herstellung von Wasserstoff benötigt für die Elektrolyse große Mengen von Süßwasser – oft wäre das in Wüstenstaaten am Meer mit großen Flächen für Wind- und Solaranlagen als Stromgeber für grünen Wasserstoff möglich. Nur das passende Wasser fehlt – noch.

Stephan Ende: „Der Nutzung des entsalzten Wassers sind praktisch keine Grenzen gesetzt – und neben den vielen guten Eigenschaften im Sinne der Umwelt, hat die Spirulina-Alge bei der Entsalzung von Wasser noch einen ganz wesentlichen Effekt: Sie bindet Kohlendioxid.“ Wenn das nicht grün ist.

 


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