Nachhaltig wirtschaften, zukunftsfähig wachsen
Festmachen in Bremerhaven
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Nachhaltig Wirtschaften in der Branche der Schausteller?

Nicht nur Schaustellerfamilien haben es in diesen Tagen schwer. Aber die Leidenschaft zum Beruf bleibt.

Überall drücken die Kosten, ständig steigende Energie- und Lebensmittelpreise gehen zum Beispiel auf die Marge der meisten gewerbetreibenden Marktbeschicker. Hier sind Einfallsreichtum, gute Ideen und Gemeinsinn gefragt. Denn nach Aussage der Schaustellerin Alexandra Ausborn, zugleich Sprecherin des Bremerhavener Verbandes der Schausteller und Marktkaufleute, wollen viele der Marktkaufleute eine Preiserhöhung so lange es geht vermeiden.

Wie sehr sich die Bürger*innen nach Abwechslung und ein Stück „Normalität und Ausgelassenheit“ sehnen, zeigen die aktuell deutlich steigenden Besucherzahlen der großen Freimärkte im Norden, in Bremerhaven und zuletzt in den letzten beiden Oktoberwochen in Bremen. Trotz allem ist nach der bereits durch Corona verursachten längeren Durststrecke noch nicht alles eitel Sonnenschein. „Steigende Energiekosten und Lebensmittelpreise machen auch unserem Metier und insbesondere den Fahrgeschäften als Stromfresser das Leben schwer“, bestätigt Alexandra Ausborn.

Bereits in fünfter Generation ist Ausborn (38) mit ihrem Mann Thomas als Schaustellerfamilie auf Freimärkten im hohen Norden unterwegs. Bremerhaven ist der Heimatstandort und Firmensitz, von hier aus gehen die Ausborns auf Reisen mit ihren Marktständen – ob Cuxhaven, viele Stadtfeste wie die Maritimen Tage in Bremerhaven oder wie zuletzt – „Ischa Freimaak“ ­– auf der Bürgerweide in Bremen. Nicht nur in der Seestadt kennt man die engagierte Unternehmerin als fröhliche Botschafterin ihres Handwerks. Kirmesbuden haben in der Familie Ausborn Tradition – vom Bauchladen über das Kinderkarussell bis zum Kettenkarussell ist Ausborn seit Kindesbeinen mit dem Metier des „fahrenden Volkes“ groß geworden.

„Wir lieben unser Geschäft, es macht schlicht Spaß, und die Gemeinschaft stimmt, auch wenn die Vorzeichen momentan nicht gerade die besten sind“, so Ausborn. Nachhaltiges Wirtschaften und der berühmte „Notgroschen“ für schlechte Zeiten seien allerdings in ihrem Gewerbe schon länger ein Thema.

Vorbild bei moderner Technik und LED-Beleuchtung

Der Marktorganisator Uwe Zander freut sich indes über jetzt schon deutlich gestiegene Nachfragen für den Frühjahrsmarkt 2023 in Bremerhaven. Neben den vielen Stammplätzen werde immer auch geschaut, einige Stände mal einzuwechseln und als Überraschung mit ins Programm zu nehmen. Zander kommt rum unter den Schausteller*innen und weiß u.a. von Fahrgeschäften, die nachhaltig in neue Antriebe investiert haben, und so ihre Stromkosten bereits vor der Ukrainekrise stark senken konnten. Auch beim Thema Beleuchtung sei man in Bremerhaven schon etwa vier Jahre dabei und quasi Vorreiter. Noch vor Corona sei man durch frühzeitige Umrüstungen auf neue LED-Beleuchtung in Eigenleistung gegangen, erzählt Zander. Allein durch diese Maßnahmen seien Einsparungen bis zu 50 Prozent und viel mehr bei den Nebenkosten drin. Eine positive Entwicklung, die man laut Zander – anders als an anderen großen Städten mit traditionseichen Freimärkten –  bislang kaum kommuniziert habe.

Der von Schaustellerin Ausborn genannte Gemeinsinn funktioniert laut Zander bereits einige Jahre auch recht gut beim Einkauf von Stromleistungen. Über einen Elektrospezialbetrieb, der sich unter anderem um mobile Stromlösungen auf Events wie Freimärkten kümmert, würden mit dem regionalen Strom-Anbieter Konditionen ausgehandelt – und zwar gesammelt für alle rund 400 Marktleute aus Bremen und Bremerhaven mit ihren Verkaufsständen.

Besucherzahlen steigen wieder

Seit 2022 gibt es zum Glück überall in Deutschland wieder überdurchschnittlich hohe Besucherzahlen auf Veranstaltungen wie Festtage und Freimärkte, die Beschränkungen wegen Covid19 sind weitestgehend gefallen, und die Lust auf mehr Normalität und Ungezwungenheit ist enorm, stellen Ausborn und Zander unisono fest. Zwischen 30.-40.000 Freimarktgäste waren es zuletzt im Frühjahr in der Seestadt auf dem Leher Wilhelm-Kaisen-Platz, im August dieses Jahres konnte die Zahl nochmals deutlich gesteigert werden. „Die Menschen wollen sich und ihren Kindern mit einem Freimarktbesuch Freude und Ausgelassenheit gönnen“, weiß Ausborn, „viele Marktaussteller sind außerdem mit ihren Preisen ganz bewusst nicht hochgegangen.“ Das trifft auch auf Crêpes und Mandeln vom Ausborn-Stand zu.

Stromkosten sind bereits deutlich runter

„Mit Beginn des Ukrainekriegs ist das Thema Energiekosten leider zwangsläufig wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt“, so Ausborn weiter. Statt 15 Watt-Birnen seien mittlerweile 1 Watt-LED-Birnen installiert worden, wodurch mittlerweile beinahe dreiviertel des Verbrauches und somit laufenden Stromkosten reduziert werden konnten. Auch die Anschlussgebühren konnten weiter um einiges heruntergeschraubt werden.

Beim Einkauf der Süßwaren – ein Sack Mandeln (ca. 25 kg) kostet momentan etwa 300 Euro im Großhandel – ist nach Aussage von Thomas Ausborn ein Großeinkauf wenig sinnvoll, da Mandeln in der Lagerung empfindlich sind und ein möglicher Schädlingsbefall am Ende teurer werden kann als eine frühzeitige Sammelbestellung.

Zusammenhalt und Leidenschaft wichtig fürs Alltagsgeschäft

Gut 60 bis 70 Aussteller sind zweimal im Jahr auf den Bremerhavener Freimärkten dabei. Der 433. Leher Freimarkt in 2023 wird sicher wieder ein tolles Erlebnis werden, schwört sich Ausborn auf die aktuellen Herausforderungen ein. „Wir Schausteller sind einfach eine eingeschworene Gemeinschaft und geben uns viel Halt.“

Kirmes brauche Licht, die Atmosphäre der vielen Lampen gehöre einfach dazu, erzählt Ausborn zugleich, wo die Grenzen eines tragbaren Energiesparkonzeptes liegen. Ähnlich wie an Weihnachten gehe es nicht ohne Licht, die Belohnung seien die vielen glänzenden Kinderaugen.

Weitere Stromverbraucher im Betrieb, wie zum Beispiel die Fritteuse oder Gefriertechnik, stehen laut Alexandra Ausborn unter Dauerbeobachtung und werden bei Bedarf möglichst zügig durch neue, energieverbesserte Geräte ausgetauscht.

Fest steht für Ausborn, dass die Preise für alle Marktgäste so erträglich wie möglich bleiben müssten, damit viele Freimarktfans auf ihre Kosten kommen. Die Menschen wollen gerade jetzt sich und ihren Kindern die Ablenkung eines Freimarktbesuchs gönnen, im Zweifel gebe es dann eben nur einen statt mehrere Crêpes. Insgesamt bleibe sie zufrieden und zuversichtlich, so Ausborn weiter.

Wahr ist allerdings auch, dass manche feste Rituale, wie der Kauf eines Lebkuchenherzes, sonst für Freimarktbesuche häufig ein Muss, in diesem Jahr nicht möglich waren. Manches sei gar nicht bestellbar oder wie bei den Herzen inzwischen mit 12 Euro (statt zuvor 8 Euro) im Verkauf innerhalb weniger Wochen so teuer geworden, dass das den Kunden nicht mehr zuzumuten sei, erklärt Ausborn.

Ausborn bleibt Berufsoptimistin. Die Liebe zur „Berufung“ als Schaustellerin ist groß und belastbar, sagt die junge Geschäftsfrau nochmals zum Abschied, das sei eben eine Art Lebenseinstellung. „Wir funktionieren in unserer Branche vor allem in den momentan anspruchsvollen Zeiten als eine starke Gemeinschaft“. Das und die Freude über den kommenden Bremerhavener Weihnachtsmarkt mit Startschuss am 21. November sei Motivation genug – ein Crêpes- und Glühweinstand soll in Höhe des Eiscafés in der „Bürger“ wieder zahlreiche Gäste anlocken, so die Bremerhavener Schaustellerin aus Leidenschaft.


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