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Das deutsche Forschungsschiff Walther Herwig III vor Grönland

© Thünen-Institut

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Die Tiefsee im Takt des Klimawandels

Forschende entdecken Verbindung zwischen Fischen in der Tiefsee und den Auswirkungen des Klimawandels an der Oberfläche

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Karl-Michael Werner vom Thünen-Institut für Seefischerei und Margrete Emblemsvåg vom Institut Møreforsking AS und der arktischen Universität Norwegens haben eine ungewöhnliche Verbindung zwischen den Bodenfischgemeinschaften in Ostgrönland und den Auswirkungen des Klimawandels entdeckt. Beim Auswerten langer Zeitreihen beobachteten sie, dass Ökosysteme über den gesamten Tiefenbereich von 150 bis1500 Metern Wassertiefe zeitgleich auf Änderungen in der Atmosphäre, der Meereisbedeckung und der Oberflächentemperatur reagierten – erstaunlicherweise am deutlichsten bei Tiefseefischen, die unterhalb von 400 Metern Wassertiefe leben. Die Studie wurde in der Zeitschrift „Global Change Biology“ veröffentlicht.

Über fast 20 Jahre, von 1998-2016, sammelten Forschende vom Thünen-Institut für Seefischerei aus Bremerhaven und dem grönländischen Institut für natürliche Ressourcen in Nuuk Daten zu Veränderungen in der Fischgemeinschaft in Tiefen von 150 bis 1500 Metern. Während dieses Zeitraums fuhren sie jedes Jahr mit Forschungsschiffen an ähnliche Positionen vor Ostgrönland, um mit einem wissenschaftlichen Grundschleppnetz Proben zu nehmen. So kamen Informationen von fast 1400 Netzfängen zusammen.

„Während wir die Daten zu den Fischvorkommen analysierten, wurde uns bewusst, dass die Änderungen in Tiefenregionen zwischen 350 und 1000 Metern stärker waren als die Änderungen in flacheren Regionen. Als sich auch noch statistisch bestätigte, dass diese Beobachtungen in der Tiefe mit Änderungen in der Atmosphäre korrelierten, war die größte Herausforderung, Hypothesen zu entwickeln, wie diese Dinge zusammenhängen“, sagt Margrete Emblemsvåg.

 

Ökologische Änderungen in der Tiefe

Für ihre Datenanalyse nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das statistische Auswerteverfahren „Tensor Dekomposition“, mit dem sie räumliche und zeitliche Änderungen der Fischgemeinschaften simultan untersuchen konnten. „Diese Methode wird noch nicht lange für ökologische Fragestellungen herangezogen, jedoch wurde kürzlich erkannt, dass sie sich sehr gut für die Analyse von räumlich-zeitlichen Prozessen in Fischgemeinschaften eignet“, erläutert Karl-Michael Werner vom Thünen-Institut. „Das markanteste Ergebnis war, dass die Änderungen in wesentlich größeren Tiefen als erwartet auftraten.“ So konnten die Forschenden selbst in über 400 Metern Tiefe vermehrt boreale, also stärker wärmeangepasste Arten wie den Lumb (Brosme brosme) und den Blauleng (Molva dypterygia) beobachten, während das Vorkommen von arktischen und sub-arktischen Arten wie dem Schwarzen Heilbutt (Reinhardtius hippoglossoides) oder dem Blauen Seewolf (Anarhichas denticulatus) abnahm.

 

Langsamer Wandel und Extremereignisse

Die Ergebnisse der Tensor Dekomposition zeigten, dass sich die Verbreitung von Fischgemeinschaften in größeren Tiefen zwischen den Jahren 2005 und 2010 rapide geändert hat. Zur gleichen Zeit stiegen sowohl die Lufttemperatur als auch die Temperatur und der Salzgehalt der Oberflächenschicht an und die Ausdehnung des Meereises nahm ab. Die Ergebnisse zeigten aber auch kurzfristige Änderungen der Tiefseefischgemeinschaften parallel zu Extremereignissen in der Umwelt, wie im Jahre 2003, als die Lufttemperatur außergewöhnlich hoch war. Fischgemeinschaften in der Tiefsee scheinen somit sowohl empfindlich gegenüber langsamen Veränderungen als auch gegenüber Extremereignissen zu sein, die innerhalb kürzester Zeit zu Änderungen der ökologischen Verhältnisse führen.

 

Ein Fahrstuhl in die Tiefe?

Da die statistischen Auswertungen klar belegen, dass die Verteilung von Bodenfischen mit Änderungen in der Atmosphäre und der Oberfläche zusammenhängen, liegt es nahe, dass diese physikalischen Änderungen eine biologische Kaskade hervorrufen, die von der Oberfläche bis in die Tiefsee reicht. Ähnliches wurde zur gleichen Zeit in anderen Gebieten im Nordatlantik beobachtet. „Änderungen an der Oberfläche können innerhalb von Wochen und Monaten die Absinkraten von organischem Material, unter anderem absterbendes Plankton, in die Tiefe beeinflussen. Diese absinkende Biomasse ist eine wichtige Nahrungsgrundlage für die Artgemeinschaft des Meeresbodens, von denen sich die Fische ernähren“, erklärt Karl-Michael Werner.

Die zweite Hypothese, warum die Arten am Kontinentalabhang stärkere Änderungen als in den flacheren Wasserschichten zeigten, könnte auf die Verteilung verschiedener Wasserkörper zurückzuführen sein. Eine frühere Studie der Autorin Margrete Emblemsvåg zeigte, dass sich tiefere Schichten, in denen Wassermassen atlantischen Ursprungs dominieren, über den Studienzeitraum langsam erwärmten, während dies in den arktischen Wasserkörpern im Flachen nicht der Fall war. Dieser graduelle Temperaturanstieg in der Tiefe könnte der Taktgeber für die grundlegenden Änderungen in den Verbreitungsgebieten der Fische sein, während die Extremereignisse über kurzfristige Änderungen in der Nahrungsverfügbarkeit am Meeresboden eher für die zeitlich begrenzten Ausschläge in der Fischfauna verantwortlich sind. Die Klärung dieser Fragen ist Gegenstand weiterer Untersuchungen.


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