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Forscher helfen bedrohtem Aal

„Es gibt wohl kaum einen Fisch, an dem schon so viel geforscht wurde – und über den trotzdem so wenig bekannt ist“, sagt Dr. Reinold Hanel, Leiter des Instituts für Fischereiökologie am Bremerhavener Thünen-Institut. Der 50-Jährige hat ein Forschungsprojekt auf den Weg gebracht, das die Zukunft des bedrohten Nutzfisches sichern soll. Dafür hat Reinhold Hanel einen weltweit einzigartigen Strömungskanal konstruiert und bauen lassen, der im Gebäude im Fischereihafen im Einsatz ist.

In der Aquakultur im Erdgeschoss brummt und blubbert es. Rund 400 Aquarien und Becken hat das Thünen-Institut für Fischereiökologie hier stehen. Für das Aal-Experiment allerdings gibt es einen Extra-Raum hinter einer massiven Metalltür. Der Grund dafür ist einfach, sagt Reinhold Hanel beim Betreten und schaltet das Licht an. „Wir erforschen hier im Strömungskanal die Wanderung des Aals durch den Atlantik. Dafür simulieren wir den Wasserdruck in bis zu 100 Meter Wassertiefe. Dort gibt es nicht unbedingt viel Tageslicht und viele Menschen laufen dort auch nicht herum.“ Dementsprechend ist auch der durchsichtige Strömungskanal aus Kunststoff mit dunklen Matten an den Seiten abgeschirmt.

„Aale schwimmen zur Paarung und zum Ablaichen in die Sargasso-See vor der nordamerikanischen Küste  und das von Europa aus. Dafür lagern sie noch hier Fettreserven an, die sie auf der 5000 Kilometer weiten Strecke verbrauchen.“, erklärt Reinhold Hanel. „Wir wissen weder, mit welchem Schwimmverhalten die Tiere diese extrem lange Strecke ohne zu fressen überwinden, noch wie sich der jeweilige körperliche Zustand auf die Bildung der Geschlechtsorgane und damit die Vermehrungsrate auswirkt.“

Denn tatsächlich bilden Aale ihre Geschlechtsorgane erst auf dem Rückweg über den Atlantik in die Sargosso-See aus – dort, wo sie selbst einmal als Larven geschlüpft sind. Die erwachsenen weiblichen Fische sind dann zwischen 12 und 15 Jahren alt, die männlichen bis zu neun Jahren und in europäischen Binnengewässern aufgewachsen. „Durch Überfischung, Wasserbauwerke und vor allem auch Schadstoffe im Wasser ist der Aalbestand jedoch dramatisch gesunken“, erzählt Reinhold Hanel. Offizielle Quellen gehen davon aus, dass es seit den 1970er-Jahren einen Rückgang um bis zu 98 Prozent gegeben hat.

Ein Grund dafür ist auch, dass Aale beim jahrelangen Fettaufbau für die Wanderung über den Atlantik über die Nahrung Schadstoffe im Gewebe einlagern. Wird das Fett beim Langstrecken-Schwimmen aufgebraucht, werden diese Stoffe wieder freigesetzt und beeinflussen mutmaßlich auch die Vermehrungsfähigkeit. „Wir wollen mit unseren Versuchen auch herausfinden, inwiefern das tatsächlich der Fall ist“, so Hanel.

Dafür schwimmen erwachsene Aale im Strömungskanal  im Thünen-Institut mehrere Stunden bis zu Tagen. Die Strömungsgeschwindigkeit und auch den Wasserdruck für die simulierte Wassertiefe bis zu 100 Metern können die Thünenforscher über Hochleistungspumpen verändern. Reinhold Hanel: „Unser Ziel ist es, herauszufinden, in welchem Zustand die Aale bestenfalls sein müssen, wenn sie Europa verlassen, um als vermehrungsfähige Fische in der Sargasso-See anzukommen.“ Darüber wollen die Forscher dann auch Rückschlüsse auf die aktuellen Vermehrungsraten ziehen, um eine Aussage zur Situation und Zukunft des europäischen Aalbestandes machen zu können.

Aale schlüpfen in der Sargasso-See als Larven aus befruchteten Eiern. Wie dort die Paarung und Vermehrung stattfindet, ist bisher nicht genau bekannt. Die Larven schwimmen mit dem Golfstrom über Atlantik nach Europa und benötigen dafür gut drei Jahre. Erst hier verwandeln sie sich von der Larve zum sogenannten Glasaal. Diese mehrere Zentimeter langen Fische wandern dann vom Meer in die Flussmündungen und Süßwasser-Seen, wo sie heranwachsen – bis sie sich nach vielen Jahren wieder auf den Rückweg in die Sargasso-See machen: als sogenannte Gelb-Aale, die im Meer nochmals ihre Farbe in grau-silber verändern und ihre Geschlechtsorgane ausbilden.

„Ein Problem ist das Abfischen der jungen Glasaale durch die Fischwirtschaft in den Flussmündungen“, erklärt Reinhold Hanel. In Frankreich wird dies massiv betrieben. Forschungen haben gezeigt, dass an bestimmten Flussläufen nur bis zu vier Prozent der Glasaal-Population durchkommen, überleben und im Süßwasser heranwachsen. Zudem hat sich in Frankreich ein ausgeprägter Handel mit Glasaalen in Richtung Asien entwickelt.

„Wir müssen einfach alles daran setzen, wenn wir den europäischen Aal als Fischart erhalten wollen“, so das Fazit von Reinhold Hanel. Dabei einer der größten Knackpunkte: „Aale können bisher nicht gezüchtet werden. Wir wissen weder, wie die Vermehrung stattfindet noch, wovon sich die Larven für ein erfolgreiches Heranwachsen ernähren.“ Aber auch daran arbeiten die Forscher im Thünen-Institut bereits in einem anderen Projekt.

 


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