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Zukunft der Energie: schwimmende Windturbinen

Windkraft auf dem Meer – das bietet gleich mehrere Vorteile. Draußen auf See gibt es viel Platz und die Luft ist fast ständig in Bewegung. Die Ausbeute an umweltfreundlicher Energie steigt. Einzig die Wassertiefen sind bisher ein begrenzendes Element, denn die stehenden Offshore-Windräder brauchen ein Fundament am Meeresboden. Das Bremerhavener Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES arbeitet an einer Lösung für diese Hürde und damit an der Zukunft der Windenergie: Schwimmende Windturbinen auf dem Meer.

„Das Grundproblem ist, dass Windenergieanlagen mit Fundamenten sich unkompliziert nur in Wassertiefen bis zu 60 Meter aufstellen lassen. Das reduziert die Gebiete, die dafür in Frage kommen weltweit und generell auf die Küstennähe“, erklärt Mareike Leimeister, Expertin am Fraunhofer IWES für schwimmende Windkraftanlagen. Durch schwimmende Offshore-Windräder hingegen würde sich die Reichweite für die Errichtung von Windparks auf dem Meer deutlich erhöhen lassen.

Versuche in der Richtung hat es von verschiedenen Ländern, Wirtschaftsunternehmen und Instituten schon gegeben. Was bisher weltweit auf dem Markt fehlt, ist ein erprobtes System mit den entsprechenden technischen Komponenten für die Montage von schwimmenden Windparks. „Es gibt zwar bereits einen solchen Park vor der schottischen Küste – aber bisher als einzelnes Pilotprojekt eines norwegischen Energiekonzerns. Die Wassertiefe hier beträgt bis zu 120 Meter“, erklärt Mareike Leimeister.

Der schwimmende Offshore-Windpark „Hywind Scotland“ ist 2017 mit fünf Windturbinen und einer Gesamtleistung von 30 Megawatt als Test für schwimmende Fundamente ans Netz gegangen. Zum Größenvergleich: Der deutsche Windpark Meerwind Süd | Ost vor der Helgoländer Küste hat auf der gängigen Basis mit Fundamenten auf dem Meeresgrund insgesamt 80 Anlagen. Er hat eine Gesamtleitung von 400 Megawatt.

Das Interesse an der Entwicklung der schwimmenden Windräder ist groß – auch international. „Wir arbeiten derzeit mit Partnern aus Frankreich, den Niederlanden, Irland und England an der Konstruktion einer schwimmenden Windturbine und der entsprechenden Verankerung“, erzählt Mareike Leimeister. Das Vorhaben mit einem Investitions-Umfang von 14 Millionen Euro wird als Interreg-Projekt unter dem Namen „AFLOWT“ von der Europäischen Union gefördert. Der Standort des Prototypen steht bereits fest: Er soll ab 2022 vor der irischen Westküste stehen – oder besser gesagt: schwimmen.

„Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine schwimmende Windenergieanlage zu bauen“, sagt Mareike Leimester. „Dabei werden existierende Strukturen in die Konstruktion mit einbezogen.“ So könne eine schwimmende Windturbine durchaus wie ein heutiges Monopile-Windrad aussehen – also eine durchgängige lange Konstruktion, an deren oberen Ende sich die drei Rotorblätter an der Gondel drehen. Statt allerdings in einem Fundament am Meeresboden zu enden, schwimmt das Windrad im Meer.

„Der eigentliche Turm sitzt auf einem hohlen zylinderförmigen Fundament, das ein ganzes Stück unter der Wasserlinie ins Meer hineinragt. Das können schon bis zu 120 Meter sein. Dadurch erhält das Windrad seinen Auftrieb. Der Fuß des Zylinders ist mit Ballastmaterial wie Steinen oder anderem Material gefüllt“, so Leimeister. Vom Typ her ist diese Anlage eine sogenannte SPAR-Windturbine, wie sie auch im Hywind Scotland Pilot Park verwendet wird. Die schwimmende Plattform hat hier nur einen Tiefgang von knapp 80 Meter, benötigt aber mehr als 2000 Tonnen Stahl und zusätzlich noch etwa 5000 Tonnen Ballast, um der installierten Sechs-Megawatt-Anlage ausreichend Stabilität zu bieten.

Eine andere Variante für ein schwimmendes Windrad-Fundament ist praktisch ein liegendes Dreieck aus Röhren, an dessen jeweiligen Ende große tonnenförmige Auftriebskörper sind – der Halbtaucher. Die Windenergieanlage kann dann entweder in der Mitte auf einem vierten Zylinder stehen oder an einem der äußeren Punkte des Dreiecks. Mareike Leimeister: „Unser AFLOWT-Prototyp in der irischen See ist eine Mischung aus beiden Möglichkeiten.“

Irgendwie befestigt werden muss aber auch das schwimmende Windrad. „Sonst wäre es ja irgendwann in Richtung Horizont verschwunden“, lacht die Ingenieurin. Das geschieht über Befestigungsketten, die wiederrum mit Ankersteinen am Meeresboden verbunden sind. Hier sieht Mareike Leimeister den wesentlichen Punkt für einen noch größeren Beitrag zum Umweltschutz durch die Windenergie: „Die Fundamente von stehenden Offshore-Windrädern müssen durch Baumaßnahmen wie Rammarbeiten sehr intensiv mit dem Boden verbunden werden. Die Geräuschentwicklung dabei wird von mancher Seite als ungünstig für das Meeresumfeld angesehen. Die Befestigung der Verankerung von schwimmenden Windrädern kann zwar auch über Rammarbeiten erfolgen – ist aber bei Weitem nicht so aufwändig und zeitintensiv.“ Zudem sei – so wie im schottischen Windpark Hywind – auch eine andere Methode in der Erprobung: Sauganker.

Hierbei wird die Halterung für die schwimmenden Windräder über ein Vakuum auf dem Meeresboden verankert. Statt Ankersteinen gibt es drei Stahlbehälter, die wie riesige Fässer aussehen. Nach dem Aufsetzen auf dem Grund wird mittels Pumpen die Luft herausgesaugt. Die Anker ziehen sich dadurch in das Sediment am Meeresgrund und halten sich selbst fest. Eine zusätzliche Verankerung über Rammarbeiten ist nicht notwendig. Ein weiterer Pluspunkt der schwimmenden Windenturbinen: Die Anlagen können noch in den Häfen komplett montiert und dann mit Schleppern zu den Standorten gebracht werden. Großflächige Baustellen mit Montageschiffen wie bisher sind dann nicht mehr notwendig.

Am schwimmenden Windrad mit Beteiligung aus Bremerhaven arbeiten die Partner seit Ende 2018. Dass die Konstruktion dieser Offshore-Windräder Sinn macht und Zukunft hat, zeigen die Anstrengungen anderer Länder. Vor der portugiesischen Küste ist inzwischen das erste 8 Megawatt Windrad des WindFloat Atlantic Projektes in Betrieb gegangen. Die schwimmende Konstruktion steht auf einem Fundament vom Typ Halbtaucher. Verankert wurde das Windrad in 100 Meter Wassertiefe. Zwei weitere Anlagen sollen für den Testwindpark folgen.

„Auch in den USA wird die Entwicklung schwimmender Windparks stark vorangetrieben“, erzählt Mareike Leimeister. Das dortige Energieministerium will die Forschung an schwimmenden Offshore-Windenergieanlagen massiv fördern. Immerhin haben die Vereinigten Staaten rund 13.000 Meilen Küstenlinie, aber wenig flache Gewässer für Windräder auf festen Fundamenten. Mareike Leimeister: „Das Fraunhofer IWES hält sich natürlich über dortige Ausschreibungskriterien auf dem Laufenden. Zudem sind wir aktuell in Verhandlungen mit einem asiatischen Partner zur Entwicklung eines Designs für ein schwimmendes Windrad.“

Die Kompetenz und die Expertise aus Bremerhaven in Sachen nachhaltiger Energie und Offshore-Windkraft sind gefragt. Vor allem auch im laufenden AFLOWT-Projekt, denn dort geht es außerdem um den Aufbau der gesamten Lieferkette für schwimmende Windräder: die Green Economy – ein wesentlicher Punkt für die weitere Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Bremerhaven.


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