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Green Economy trotzt Corona

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sind derzeit noch nicht absehbar. Auch in der Green Economy sind Betriebe, Beschäftige, Projekte und Produkte davon betroffen – manche stärker und manche weniger. Für den Betriebsalltag wurden und werden höchst unterschiedliche Konzepte entwickelt, um die wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Folgen der Pandemie in Grenzen zu halten.

Auch wenn der Standort mehrere tausend Kilometer von Bremerhaven entfernt ist – die Auswirkungen der Corona-Krise sind selbst in der Arktis zu spüren. Hier driftet der Forschungseisbrecher Polarstern auf der aktuell weltweit größten Polarexpedition MOSAiC im Packeis. An Bord ist ein rund 100-köpfiges Team aus Forschern und Besatzung, das eigentlich bereits Anfang April per Flugzeug ausgetauscht werden sollte. „Norwegen hat die Inselgruppe Spitzbergen aber wegen der Pandemie abgeriegelt. Wir können unseren Austausch nicht wie geplant von dort aus starten“, so das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Deshalb werde mit Hochdruck an einem Alternativ-Plan für den notwendigen Austausch gearbeitet. Bis dahin hält das bisherige Expeditionsteam auf dem Forschungseisbrecher aus und führt das Projekt fort. „Die Versorgung mit Lebensmitteln und Treibstoff ist zum Glück durch die vergangenen Versorgungsfahrten mit den Eisbrechern unserer internationalen Partner ausreichend“, erklärt AWI-Sprecher Sebastian Grote. Dennoch sei die Belastung der Menschen an Bord der Polarstern hoch – auch wegen der Sorge um Freunde und Familie zu Hause. Spätestens im Juni soll das Team des 3. Fahrtabschnitts deshalb aus der Arktis zurückgeholt und ausgetauscht werden. Das neue Team gehe vorher in Quarantäne und werde mehrfach auf das Corona-Virus getestet, um Infektionen an Bord der Polarstern auszuschließen.

Die wissenschaftlichen Arbeiten der Polar- und Meeresforscher am Standort Bremerhaven sind durch die Corona-Krise ebenfalls eingeschränkt. Es gäbe zwar keine Kurzarbeit und viele Telefon- oder Videokonferenzen aus dem Home-Office. Trotzdem hätten einige Expeditionen abgebrochen werden müssen und die Feldarbeit bei internationalen Projekten sei durch Corona erheblich betroffen. „Wegen der bundesweiten Schließung der Hochschulen haben wir auch alle geplanten Expeditionen unseres Forschungsschiffes MS Heincke mit studentischem Hintergrund zunächst bis Ende Mai abgesagt“, sagt Grote. Die Forschungsarbeit werde aber an allen AWI-Standorten im Rahmen der Vorgaben durch Bund und Länder so intensiv wie möglich fortgesetzt: „Der Klimawandel wartet ja nicht auf das Ende der Pandemie.“

Auch die Fischereiforschung hat sich auf die Corona-Anforderungen eingestellt. Am Thünen Institut im Bremerhavener Fischereihafen ist derzeit nach Auskunft der Institutsleitung nur eine Notbesetzung. Der Austausch mit internationalen Partner und die wissenschaftliche Arbeit findet von zuhause aus statt. „Zum Teil wurden sogar Mikroskope ins Home Office genommen, damit Projekte fortgeführt werden können“, erzählt Dr. Gerd Kraus, Leiter des Thünen Instituts für Seefischerei.

Der länderübergreifende Datenaustausch mit Nordseeanrainern zur Ermittlung der EU-Fangquote laufe über Datenbanken und Videokonferenzen. Auch die geplanten Forschungsreisen mit der Walter-Herwig III und anderen Institutsschiffen würden unter Auflagen fortgesetzt. „Besatzung und Forscher sind angehalten, sich 14 Tage vor der Abfahrt besonders vor dem Virus zu schützen und kommen nur ohne Krankheitssymptome an Bord. Hafenanläufe werden grundsätzlich vermieden und es gibt während der Expeditionen keinen Teamwechsel “, betont Kraus.

Problematisch sei nur, dass größere Reedereien derzeit ihre Schiffe solange wie möglich draußen auf See hielten, um Ansteckungen durch Corona zu vermeiden. Dadurch seien Thünen-Mitarbeiter, die Fischbeprobungen durchführen, teilweise einige Wochen länger als geplant aus See unterwegs gewesen. Gerd Kraus: „Ernsthaft gestrandet ist aber noch niemand, wir kommen bis jetzt ganz gut durch die Corona-Krise und blicken einigermaßen optimistisch nach vorn.“

Trotz der Corona-Einschränkungen läuft die Arbeit des Fraunhofer IWES Instituts in Bremerhaven weiter – unter Einhaltung der Standard-Hygienevorschriften wie Atemschutzmaske, Desinfektionsmittel und anderem. „Wir haben Mitarbeiter-Teams vor Ort, die zum Beispiel die Testreihen in den Rotorblatt-Testständen fahren. Auch unser Gondelteststand DyNaLab ist in Betrieb“, sagt Inna Eck, Pressesprecherin des Fraunhofer-Instituts. „Wir legen großen Wert darauf, dass wir unsere Forschungsaufträge weiter bearbeiten können – auch wenn wir personalmäßig natürlich zurzeit durch Corona nicht zu 100 Prozent am Start sind.“ Die angesetzten Fristen für Projekte würden trotzdem eingehalten. Inna Eck: „Wir sind komplett im Zeitplan.“

Die Windkraftbranche selbst spürt die Auswirkungen der Corona-Krise deutlich. „Die kleinen und mittelständischen Unternehmen hatten schon vor der Corona-Krise schwierige Marktbedingungen für die Windenergie an Land und auf See. Wir können nicht ausschließen, dass es Insolvenzen gibt und wir wissen, dass es Entlassungen gibt“, sagt Heike Winkler. Geschäftsführerin der Windenergieagentur Bremerhaven/Bremen e.V. „Die Probleme reichen von eingeschränkter Reisetätigkeit bis zu Corona-Hilfskrediten, die nicht einfach ins Blaue hinein beantragt werden können, weil sich die Marktperspektive nicht abschätzen lässt.“ Am Standort Bremerhaven sind laut WAB noch rund 25 Unternehmen im Bereich der Windenergie tätig.

Im Lebensmittelbereich hat die Corona-Krise sehr unterschiedliche Auswirkungen – ganz wesentlich abhängig vom Marktsegment, das die Unternehmen bedienen. „Transgourmet Seafood ist stark mit der Gastronomie verknüpft. Wie bei allen Unternehmen in diesem Bereich, sind auch hier die Umsätze eingebrochen“, sagt Charlotte Brandau, Pressesprecherin bei Transgourmet Deutschland. Derzeit wären die rund 80 Mitarbeiter bei Transgourmet Seafood in Kurzarbeit. Trotzdem habe es durch Corona speziell bei Transgourmet Seafood keinen plötzlichen Stau von bestellter Ware gegeben. „Zum Beispiel durch die weiterlaufende Belieferung des Einzelhandels mit Fischprodukten konnten diese Prozesse sinnvoll runtergefahren werden“, so Brandau. Aktuell würden bei Transgourmet einzelne Szenarien entwickelt, wie in den Wochen und Monaten nach Corona die verschiedenen Geschäftsbereiche wie Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegung, Systemgastronomie und Hotelversorgung wieder hochgefahren werden könnten.

Deutlich zu spüren und zu sehen sind die Auswirkungen der Corona-Krise auf Lebensmittelunternehmen am Standort Bremerhaven im Internet. Verschiedene Anbieter von Fisch und Meeresfrüchten im Online-Bereich haben auf ihren Firmenseiten zahlreiche Preissenkungen und Sonderangebote bei Produkten – teilweise bis zu 40 Prozent. Unternehmen wie beispielsweise Frosta sind in der Corona-Zeit durch ihre Firmenstruktur da anders und vor allem besser aufgestellt.

„Im Moment entwickeln sich unsere Geschäfte gut. Wir haben einen größeren Absatz als in der Zeit vor Corona“, erzählt Pressesprecherin Friederike Ahlers. „Die Leute sind mehr Zuhause. Das spüren wir positiv und deutlich.“ So sei speziell der Verkauf von Fischstäbchen zahlenmäßig in die Höhe gegangen. Friederike Ahlers: „Daraus schließen wir, dass einfach mehr Kinder zuhause sind, weil die Schulen geschlossen haben.“ Komplett eingebrochen hingegen sei der Bereich Foodservice für die Gastronomie bei Frosta. „Das ist zum Glück aber ein kleinerer Geschäftsteil bei uns“, so Ahlers.

Gedanken macht sich Frosta darüber, wo mittelfristig und verlässlich die Zutaten für die Produkte herkommen werden. „Das Problem hat derzeit wohl jedes Unternehmen im Lebensmittelbereich. Können die Lieferketten durchgehend gehalten werden? Haben die Landwirte genügend Kapazitäten, um ausreichend Ware liefern zu können?“ Aktuell läuft bei den Frosta-Zulieferern die Spinat- Ernte in Rheinland-Pfalz. Da dies maschinell erledigt werde, hätten die Landwirte keine Probleme mit fehlenden Erntehelfern durch Corona, so Ahlers.

Wie sich die Preise für die Rohware und damit die Frosta-Produkte entwickeln, ließe sich jetzt noch nicht sagen. „Es kann sein, dass es durch die Folgen von Corona Preissteigerungen gibt“, sagt Friederike Ahlers. Generell sei es gegenüber Betrieben aus dem Bereich der Frischware natürlich von Vorteil, dass Frosta mit Tiefkühlware arbeite und auch dementsprechend einlagern könne: „Aktuell haben wir die Kühlhauskapazitäten in Bremerhaven erweitert und doppelt so viele Paletten mit Ware ausgelagert als vor dem Ausbruch des Corona-Virus.“

Auswirkungen der Corona-Krise am Standort Bremerhaven machen sich auch im Bereich einer wichtigen Dienstleistung bemerkbar: der Abfallentsorgung im Sinne von Umwelt und Natur. Die Bremerhavener Entsorgungsgesellschaft (BEG) verzeichnet durch Firmenschließungen und Kurzarbeit in Unternehmen deutlich weniger Aufträge und Abfallmengen aus der Industrie. „Wir haben deshalb aber noch keine Schichten gekürzt, sind nicht in Kurzarbeit und auch die Müllbeseitigungsanlage (MBA) ist derzeit noch im Normalbetrieb“, so Geschäftsführer Stefan Ketteler. Industrieabfälle könnten problemlos an der MBA angeliefert werden und auch die private Abfallentsorgung laufe weiter. Das gilt vor allem für ein ganz besonderes Projekt der Green Economy, das weiterhin als spannender und viel beachteter Test bei der BEG läuft: das erste elektrisch betriebene Müllfahrzeug Deutschlands.


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