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Lautlos durch die Stadt

Bremerhavener Entsorgungsbetriebe BEG testen bundesweit erstes E-Müllfahrzeug

Wenn Ralf Berkenkopf morgens den Zündschlüssel seines Müllwagens  herumdreht, steht ihm immer noch die Überraschung im Gesicht geschrieben. Dann entspannt er sich und lacht. „Kann ja nicht anspringen. Ist ja kein Dieselmotor mehr drin.“ Der 42-Jährige testet in Bremerhaven seit kurzem Deutschlands erstes Müllsammelfahrzug, das komplett elektrisch betrieben wird. Entwickelt haben das einzigartige Entsorgungsfahrzeug die Bremerhavener Entsorgungsbetriebe und der Produzent für Abfallsammelfahrzeuge FAUN.

Ralf Berkenkopf ist auf Tour im Stadtteil Geestemünde. Seine beiden Kollegen entleeren  am Heck des Fahrzeugs routiniert Mülltonnen vom Bürgersteig. Über einen Bildschirm und eine Kamera in der Kabine hat der Fahrer im Blick, wann alles durch ist und er zum nächsten Haus fahren kann. „Das ist in den anderen Fahrzeugen auch so“, sagt Berkenkopf. „Der große Unterschied ist, dass hier wirklich alles elektrisch betrieben wird – inklusive der Hebemechanik für die Tonnen hinten am Fahrzeug.“

Dafür hat die BEG gemeinsam mit der Firma FAUN das gesamte Fahrzeug entkernt und elektrifiziert. „Statt dem Dieselmotor gibt es eine Batterie, die gesamte Hydraulik am Fahrzeug wurde durch Elektromotoren ersetzt“, schildert Frank Püchel, bei der BEG verantwortlich für den gesamten Fuhrpark und auch die Entwicklung des elektrischen Müllsammlers. „Außerdem mussten zig Kabel verlegt werden und auch die Kabine wurde dem Strombetrieb angepasst.“

In der Fahrerkabine ist das vor allem durch eine kleine Anzeige offensichtlich, auf der ein blauer Balken und eine Kilometerzahl zu sehen sind. „Das ist die aktuelle Ladung der Batterie und die verbleibende Fahr-Reichweite“,  erklärt Ralf Berkenkopf, während er zum nächsten Haus fährt. Der Wagen zieht so lautlos und schwungvoll an, als ob er von einem gespannten Gummiband gezogen würde – und das bei allein 27 Tonnen Fahrzeuggewicht. Die während der Tour zunehmende Müllladung kommt dazu. Berkenkopf nickt. „Das ist schon was anderes als beim Dieselmotor. Es gibt keinerlei Verluste durchs Schalten, Getriebeübersetzungen oder sonst was.“

Für Frank Püchel ist das einer der wesentlichen Punkte bei der Energieersparnis. „Der Wagen wird im Betrieb über das Gaspedal gebremst. Wenn der Fahrer vom Gaspedal geht, wird das Fahrzeug langsamer und die freiwerdende Bremsenergie über das System wieder der Batterie zugeführt. Bei herkömmlichen Bremsen und Verbrennungsmotoren geht die gesamte Energie beim mechanischen Bremsvorgang mit Bremsscheiben verloren.“

Aber es geht noch weiter. In der Fahrerkabine gibt es keine klassische Heizung mit Gebläse mehr, das Strom verbrauchen würde. Die große Frontscheibe hat eine integrierte Heizung, es gibt Sitzheizungen und sogar Fußbodenheizung, damit es bei Bedarf auch von unten warm ist. Bis zu vier Stunden kann Ralf Berkenkopf mit einer Batterieladung unterwegs sein. „Das reicht für eine große Runde zum Müllsammeln. Dann fahren wir zurück zur BEG und laden das Fahrzeug am Müllheizkraftwerk auf.“

Dafür hat die BEG extra eine Schnellladesäule installiert. „Es ist eine der leistungsstärksten Ladestationen, die man derzeit in Deutschland kriegen kann“, erzählt Geschäftsführer Stefan Ketteler.  Der Grund, sich für die Entwicklung des elektrischen Müllsammlers einzusetzen, sei einfach. „Wir sind seit Längerem mit Dienstfahrzeugen in der E-Mobilität unterwegs. Da wir mit unserem Müllheizkraftwerk selber Strom erzeugen, liegt nichts näher, als ihn zum Nutzen der Umwelt einzusetzen. Wir haben jetzt insgesamt fünf Ladesäulen und leisten damit bewusst einen Beitrag zum Umweltschutz.“ Das Pilotprojekt mit dem elektrischen Müllsammler sei ein weiterer Meilenstein auf diesem Weg.

Gut zweieinhalb Jahre an Tüftelei und Planung hat es gedauert, bis das elektrische Müllfahrzeug  bei der BEG in den Betrieb gehen konnte. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des BEAR-Programms des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Alle Daten und die Erfahrung im Betrieb des Prototyps werden gesammelt und ausgewertet. Ziel ist es, die Produktion von elektrischen Müllfahrzeugen serienreif zu machen.

Für Ralf Berkenkopf ist das keine Frage. Er ist inzwischen mit dem Lkw auf dem Rückweg zur Ladestation. „Wir machen jetzt Pause und schließen das Fahrzeug an die Ladestation an. Das dauert gut eine Stunde – soll durch das Projekt aber zukünftig auf 45 Minuten reduziert werden.“  Die kleine Anzeige mit dem blauen Balken  für die Batterieladung ist nun fast bei Null. Ralf Berkenkopf stört das nicht. „Da sind noch Reserven drin. Das reicht locker.“ Tatsächlich gibt es eine weitere Anzeige im Cockpit, die komplett auf Null ist. Ganz links, neben dem Lenkrad ist noch die klassische Anzeige für die Tankfüllung als Standard-Ausstattung. „Die brauchen wir nicht“, sagt der Fahrer stolz und hält neben der Schnellladestation auf dem Betriebshof der BEG. Stimmt, es gibt ja keinen Tank mehr.


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