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Best Practices aus der Wirtschaft, Erneuerbare Energien

Wie Bremerhaven Pionier bei der Nutzung von Wasserstoff werden will

 

Besondere Kompetenz zu Erneuerbaren Energien für nächste Schritte nutzen

Die Standardfrage zum Thema Sicherheit bei Wasserstoff beantwortet Claas Schott, mittlerweile reflexartig. „Nein, Wasserstoff ist nicht gefährlicher als Benzin oder Erdgas, auch wenn jeder bei dem Stichwort offenbar das Bild des brennenden Zeppelins ,Hindenburg’ vor Augen hat.“ Auch der Transport des unter Normaldruck gasförmigen Elements sei kein Problem: „Lastwagen mit Spezialflaschen oder Gastanks gehören seit vielen Jahren zum Alltag auf unseren Straßen.“ Schott gibt mit gutem Grund bereits Antworten auf solche Sicherheitsfragen, bevor sie überhaupt gestellt werden. Denn er möchte schnell zu seinem eigentlichen Thema kommen: den Vorzügen von Wasserstoff als klima- und umweltfreundlichem Energieträger, der auch noch einfach und ohne Verbrauch von natürlichen Ressourcen produziert werden kann. Der 46-Jährige ist Vorsitzender der Initiative H2BX – Wasserstoff für die Region Bremerhaven e.V. Und deren Arbeit zeigt drei Jahre nach der Gründung bereits große Wirkung: Zwei Unternehmen wollen demnächst einen mit Wasserstoff betriebenen Lkw in den regelmäßigen Werksverkehr bringen; eine Werft und eine Reederei entwickeln derzeit Pläne für ein per Brennstoffzelle angetriebenes Ausflugsschiff. Und weil eine ganze Reihe Unternehmen und Privatleute gegenüber H2BX zugesichert haben, in nächster Zeit zusammen mehr als 40 wasserstoffgetriebene Fahrzeuge anzuschaffen, ist im Herbst die Inbetriebnahme der ersten Wasserstoff-Tankstelle in Bremerhaven geplant. Bei laut Kraftfahrzeugbundesamt rund 400 bundesweit zugelassenen Wasserstofffahrzeugen wären das immerhin beeindruckende 10 Prozent aller Zulassungen.

 

Mit Strom aus Windkraft klimafreundlich und kostengünstig Wasserstoff produzieren

Schotts Engagement für die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie hat einen konkreten Hintergrund. Bevor der Diplom-Ingenieur ins Techniklabor der Hochschule Bremerhaven wechselte, arbeitete er in der Offshore-Windenergieindustrie in Bremerhaven und Cuxhaven, war dort unter anderem für die Planung und Genehmigung großer Windparks in der Deutschen Bucht zuständig. Auch wenn die Bundesregierung den Ausbau dieser klimafreundlichen Stromerzeugung derzeit gebremst hat, ist Schott nach wie vor überzeugt: „Für das Gelingen der Energiewende und für den Klimaschutz ist Offshore-Windkraft unverzichtbar.“ Die Nutzung der Windenergie bietet über die zuverlässige und schadstoffarme Versorgung mit elektrischer Energie hinaus auch für die Wasserstoffproduktion einen entscheidenden Vorteil: „Mit dem aus Windkraft produzierten Strom kann man hervorragend und kostengünstig Wasserstoff als Energieträger erzeugen“, erläutert Schott.

„Wasser wird durch Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten – ganz einfach, das weiß jeder aus dem Chemieunterricht“, sagt Schott. Was in der Schule mit einfachen Batterien zu schaffen war, ist auch im großen Maßstab nicht wesentlich aufwendiger, aber bisher aus Kostengründen gemieden. Seit Jahrzehnten wird vor allem so genannter „grauer“ Wasserstoff im industriellen Maßstab produziert – Wasserstoff, der aus Methan-Gas gewonnen wird und damit nicht sonderlich umweltfreundlich ist, denn bei der Produktion entsteht CO2. Das soll sich ändern. In Zukunft wird „grüner“ Wasserstoff durch die Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt. „Die notwendige Technik für die Elektrolyse und das Speichern des Wasserstoffes passt in Container und könnte direkt neben einer Windkraftanlage aufgestellt werden“, weiß der H2BX-Vorsitzende. „Bei den großen Offshore-Anlagen ließen sich die Geräte sogar ohne weiteres in den Türmen unterbringen.“ Schon heute wird Wasserstoff in vielen Bereichen der Industrie als Prozessgas oder als Energieträger genutzt. Mittlerweile haben alle namhaften Hersteller von Heizungsanlagen Brennstoffzellen für die Produktion von Wärme und Strom auf den Markt gebracht, so dass die Technologie auch in die Privathaushalte einzieht.

„Mit Hilfe von Windkraft produzierter Wasserstoff ist die perfekte Alternative zu fossilen Brennstoffen, auf die wir angesichts der drängenden Klimaschutzthematik schnellstmöglich verzichten müssen“, betont Schott. „Diese Erkenntnis muss sich aber noch stärker herumsprechen“, ist er überzeugt. Nachdem er jahrelang mit Freunden und Kollegen über dieses Thema diskutiert hatte, gründete Schott vor drei Jahren die Initiative H2BX – und traf auf großes Interesse in Bremerhavens Wirtschaft und Wissenschaft. Unternehmen aus der für Bremerhaven typischen Lebensmittelindustrie, der Hafenwirtschaft, der Transport- und Logistikbranche, der Offshore-Industrie sowie Institutionen wie die Hochschule Bremerhaven, das Klimahaus Bremerhaven 8°Ost und die Stadt Geestland sowie die Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS Bremerhaven schlossen sich unter anderem bereits H2BX an. Der Name ist dabei eine Verbindung aus Vergangenheit und Zukunft der Stadt: H2 ist das chemische Zeichen für ein Wasserstoffmolekül, mit BX begannen alle Kennzeichen der in Bremerhaven registrierten Fischdampfer: „Wasserstoff hat ein ähnliches starkes Potenzial wie die Fischerei, die Bremerhavens Wirtschaft über Jahrzehnte beflügelt hat“, ist Schott überzeugt.

 

Konkrete Projekte mit Lastwagen und Ausflugsschiff

Mittlerweile zeigt sich dieses Potenzial bereits in konkreten Projekten. Beispielsweise ist ein namhaftes Kühllogistik-Unternehmen der Initiative beigetreten – mit einer klaren Motivation: „Das Unternehmen verbraucht für seine Lkw hunderttausende Liter Diesel pro Jahr und will diese Belastung der Umwelt und des Klimas deutlich verringern“, erläutert Schott. Das Unternehmen startet jetzt gemeinsam mit einem namhaften Hersteller von Tiefkühlkost in Bremerhaven ein Modellprojekt: Ein Lkw, der regelmäßig auf der Strecke Bremerhaven – Hannover eingesetzt wird, soll auf Brennstoffzellen-Technik umgestellt werden.

Neues Gewerbegebiet der „green economy“ gewidmet

Bremerhaven hat bereits eine gute Basis für die künftige wirtschaftliche Nutzung des Themas Wasserstoff geschaffen. Angrenzend an den Fischereihafen wurde ein neues Gewerbegebiet entwickelt, das explizit der „green economy“ gewidmet ist. Dort können sich Start-ups rund um Umwelt- und Klimaschutzthemen genauso ansiedeln wie Industrieunternehmen, die beispielsweise Brennstoffzellen in Serie fertigen. Natürlich ist auch die elektrische Energie grün, die diesen Firmen zur Verfügung gestellt wird. Gleich nebenan dreht sich der Prototyp einer Acht-Megawatt-Windkraftanlage. „Dort ließe sich auch eine Anlage zur Produktion von Wasserstoff unterbringen“, überlegt Schott. Geplant ist, in diesem Herbst, in Bremerhaven die erste Wasserstoff-Tankstelle im Elbe-Weserraum in Betrieb zu nehmen. Auch sie ist ein Erfolg der H2BX-Initiative: Als Voraussetzung für die Investition erwartete der Betreiber mehr als 15 verbindliche Absichtserklärungen von Firmen oder Privatpersonen, dass sie in nächster Zeit ein mit Wasserstoff betriebenes Fahrzeug einsetzen: „Nach gerade mal vier Wochen hatten wir alle notwendigen Zusicherungen zusammen“, freut sich Schott, „Wasserstoff ist wie Windkraft und erneuerbare Energien ein Thema, das fest in Bremerhaven verwurzelt ist.“

Neue Norddeutsche Wasserstoff-Strategie

Der Bremerhavener Vorstoß trifft dabei auch auf Bundesländerebene auf Rückhalt: Im Sommer 2019 vereinbarten die fünf norddeutschen Länder erstmals eine gemeinsame Wasserstoff-Strategie. Ihr Ziel ist es, eine Wasserstoff-Wirtschaft im Norden aufzubauen und damit die Nähe zu den nachhaltigen Energieerzeugern – den Windparks – zu nutzen. Nach Vorstellungen des Papiers soll der Wasserstoff dazu beitragen, neue Sektoren für die Nutzung des grünen Brennstoffs zu gewinnen, die aktuell fossile Ressourcen nutzen, etwa in der Stahlerzeugung. Das Papier schlägt erste Schritte für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft bis 2025 vor, zusammen mit einem verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien. Bremerhaven wird dabei eine wichtige Rolle spielen – da sind zumindest Schott und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter von H2BX überzeugt.

 

Autor: Wolfgang Heumer, veröffentlicht von Jann Raveling © 2018 Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa Bremen


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