Landschaftsschutzgebiet Rohrniederung: Wo die Krebsschere auf die grüne Mosaikjungfer wartet
Wir sind zu Besuch am tiefsten Punkt Bremerhavens, im Landschaftsschutzgebiet Rohrniederung.
Das 137 Hektar große Gebiet erstreckt sich entlang des Fließgewässers Rohr, hinter dem schwedischen Möbelhaus Ikea bis an die BAB 27 und von dort in Richtung Norden (siehe Karte). Bereits 2016 haben die Stadt Bremerhaven, IKEA, der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Gesamtverband Naturschutz und Umweltschutz Unterweser (GNUU) sowie der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr den Stiftungsvertrag Rohrniederung unterschrieben. Langfristig soll hier ein Naturschutzgebiet entstehen. „Verlängerter Arm“ der Stiftung ist der freiberufliche Umweltbiologe Oliver Brockmann. Als Schutzgebietsbetreuer kümmert er sich um alle Belange dieses besonderen Stückchens Seestadt.
Etwa dreimal im Monat ist Brockmann derzeit in der Rohrniederung unterwegs. Er prüft Wasserstände und Bewirtschaftung, beobachtet Flora und Fauna und kontrolliert, ob sich Anwohner und Besucher an das Wegegebot halten. „Hier wird extensiv Landwirtschaft betrieben“, erläutert der Umweltbiologe. „Das bedeutet, es wird nicht gedüngt und die Mäh-Termine liegen erst spät im Jahr, um den wertvollen Tier- und Pflanzenbestand gerecht zu werden.“ Neben Wiesenmahd und Beweidung durch Pferde und Schafe wird in der Rohrniederung auch Mutterkuh-Haltung betrieben. Hierbei werden die Kühe nicht zum Zwecke der Milchgewinnung, sondern für die Rindfleischproduktion durch die Aufzucht von Saugkälbern gehalten. Durch die schonende Nutzung und andere ökologischen Schutzmaßnahmen soll das Areal als sogenanntes offenes Niederungsgebiet erhalten und entwickelt werden.
Kiebitz und Fischotter
„Da die Rohrniederung nah an der Besiedelung verläuft, ist uns natürlich eine enge Kooperation mit den Anwohnern sehr wichtig“, so Brockmann. Und empfiehlt, die asphaltierten Wege durch das vielen noch unbekannte Schutzgebiet für Erkundungstouren zu Fuß oder auf zwei Rädern zu nutzen. Zwar müssen Besucher etwaige vierbeinige Begleiter an die Leine neben, aber wer sich mit Fernglas und Bestimmungsbuch auf den Weg macht, kann Tiere und Pflanzen entdecken, die als besonders schützenswert gelten.
Regelmäßiger Brutvogel in der Wulsdorfer Rohrniederung ist der Kiebitz. Leider haben die Bestände dieser Art durch intensive konventionelle Landwirtschaft sehr gelitten, denn die Vögel leben und brüten vor allem auf dem Boden, in den Wiesen und sind von der Mahd sowie Beutegreifern wie dem inzwischen sehr häufigen Rotfuchs bedroht. Der Kiebitz mit dem hoch aufragenden, schwarzen Federschopf liebt die freie Sicht der Niederung und ist bekannt für seine spektakulären Balzflüge. Kiebitze sind übrigens besonders leicht zu erkennen: Auf dem Kopf tragen sie einen lustigen, hoch aufragenden, schwarzen Federschopf – bei den Weibchen ist er etwas kleiner.
Auch Blaukehlchen, Eisvogel, Weißstorch und Rohrweihe sind regelmäßig in der Rohrniederung zu beobachten. Schutzgebietsbetreuer Oliver Brockmann freut sich, dass mehrfach auch der sehr heimlich lebende Fischotter nachwiesen werden konnte. Besonders stolz aber ist er auf das Vorkommen der „Grünen Mosaikjungfer“, einer sehr seltenen Libellenart. Sie ist streng geschützt und Brockmann erklärt, warum sie sich gerade in der Rohrniederung so wohl fühlt: „Die ‚Grüne Mosaikjungfer’ legt ihre Eier ausschließlich in der ‚Krebsschere’ ab. Diese ebenfalls äußerst seltene Schwimmpflanze finden wir hier noch in den einigen Gräben.“
Schutz vor botanischen Bedrohungen
Die Flora in der Rohrniederung ist vielseitig: Wasserfeder und Schwanenblume finden sich ebenso wie Sumpfscharfgaben oder die Gelbe Wiesenraute. Das Breitblättrige Knabenkraut, eine äußerst gefährdete Orchideen-Art (Rote Liste 2), lässt sich ebenfalls hier bewundern. Zu Brockmanns Aufgaben gehört auch, das Gebiet vor sogenannten „botanischen Bedrohungen“ zu schützen. „Nicht-heimische, aggressive Pflanzen wie der Japanische Staudenknöterich oder die Herkulesstaude dringen in das Schutzgebiet vor und müssen fachgerecht bekämpft werden. Die Herkulesstaude kann durch die phototoxische Wirkung des Pflanzensaftes auch für Mensch und Tier gefährlich werden.“
Die Gründung der Stiftung Rohrniederung ist Bestandteil der Absprachen zwischen der Stadt Bremerhaven, IKEA und Naturschutzverbänden im Rahmen der erfolgten Ansiedlung des Möbelhauses im Landschaftsschutzgebiet bei Wulsdorf. Für die Stiftung stellt IKEA eine Million Euro zur Verfügung. In den Stiftungsorganen Vorstand und Kuratorium stellen die Vertreter aus Umwelt- und Naturschutz die Mehrheit.
Für weitere Infos, Fragen oder z.B. auch Exkursionsanfragen steht die Schutzgebietsbetreuung gerne zur Verfügung. Kontakt: Gebietsbetreuung@Rohrniederung.de