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Energieeffizienz, Erneuerbare Energien, Klimawandel

Mit dem richtigen Dreh zum Öko-Strom: HighTech-Prüfstand für Gondeln von Windenergieanlagen ist international gefragt

Er sieht von außen aus wie die oft zitierte „graue Maus“ – aber hat es in sich: der Prüfstand für Windenergieanlagengondeln des Fraunhofer IWES in Bremerhaven. Der hellgraue, 30 Meter hohe Prüfstand wurde im Herbst 2015 offiziell eingeweiht und gilt als einer der leistungsstärksten weltweit. Er bringt bis zu 10 Megawatt nomineller Leistung (Überlast 15 MW) auf den Antrieb der Test-Generatoren. Das entspricht der 200fachen Antriebsleistung eines Mercedes-Sportwagens und fährt die Anlagen an die Belastungsgrenze. Finanziert wurde die 35 Millionen Euro teure Anlage vom Bund, dem Land Bremen, der Fraunhofer-Gesellschaft und durch europäische EFRE-Fördermittel. In Bremerhaven lassen Windradhersteller aus ganz Europa ihre Prototypen auf Herz und Nieren prüfen, bevor sie in die Serienfertigung gehen. Die Anlagen im Teststand können bis zu 400 Tonnen wiegen.

„Wir simulieren hier reale Betriebsbedingungen. Das ist ganz klar der Vorteil unseres Prüfstandes“, sagt Dipl.-Ing. Martin Pilas, Abteilungsleiter im DyNaLab (Dynamic Nacelle Testing Laboratory), so der Name der Einrichtung. „So können die Anlagen optimal für den zukünftigen Einsatz an Land oder auf dem Meer vorbereitet werden.“ Denn die sogenannten „Gondeln“ – der zentrale Teil der Windenergieanlage, an dem später der Stern aus drei Rotorblättern im Wind dreht – müssen draußen im Betrieb einiges aushalten. Im DyNaLab wird all das detailliert simuliert und gemessen.

„Das kann zum Beispiel die Belastung des Windes sein, der auf das Windrad einwirkt“, erklärt Ingenieur Pilas. „Wir haben dafür sechs große Hydraulik-Zylinder, die mittels Druck verschiedene Auswirkungen auf den Antrieb des Windrades simulieren können. Ein einziger dieser Zylinder kann 3000 KiloNewton Kraft produzieren. Das ist die Kraft, die man braucht, um eine Schale mit 100 Elefanten hoch und runter zu bewegen.“ Dazu kommen Messungen wie die der produzierten Strommenge oder die der Hitzeentwicklung im System des Windradgeneratoren. Auch entstehende Vibrationen im Betrieb werden aufgezeichnet. Martin Pilas: „Wir gucken ganz genau, unter welchen Belastungen kritische mechanische Auswirkungen auftreten und damit auch, in welchen Belastungsbereichen und unter welchen Umständen die Anlage am rundesten läuft.“

Bis zu 350 verschiedene Messwerte werden während der Gesamtzeit eines Tests ermittelt. Martin Pilas spricht zu Recht von einer „Messkampagne“, denn das Ganze kann bis zu einem Dreivierteljahr für einen einzigen Prototypen dauern.Die Hersteller der Windräder haben durch den Teststand in Bremerhaven verschiedene Vorteile. Bei einer Prototypen-Anlage im Feld müssen Messungen bei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten durchgeführt werden, um die Zertifizierung zu erhalten. Diese sind können nicht gezielt herbeigeführt werden – man muss einfach auf den „richtigen“ Wind warten.

„Im Prüfstand können wir verschiedene Windgeschwindigkeiten geplant herbeiführen und auch Netzfehler wie Spannungsschwankungen und –einbrüche je nach Bedarf auslösen – und zwar, ohne das öffentliche Stromnetz zu belasten. Das verschafft Herstellern einen erheblichen Zeitvorteil, schildert Martin Pilas. Während die Testphase in freier Wildbahn zehn und zwölf Monate dauert, können im DyNaLab alle geforderten Szenarien in wenigen Wochen abgearbeitet werden. Und Tempo ist entscheidend – der globale Innovationsdruck in der Windenergieindustrie ist hoch. Eine neue Anlage mit „Reifezeugnis“ vor der Konkurrenz auf den Markt zu bringen, ist ein großer Wettbewerbsvorteil.

„Wir sorgen hier im DyNaLab nicht nur dafür, dass die Anlage wesentlich früher auf den Markt kommt. Wir geben den Herstellern auch die Sicherheit, dass ihre Anlagen bestmöglich auf alle Eventualitäten im Betrieb vorbereitet sind und die optimale Leistung bringen“, sagt Martin Pilas. Dieses Plus an Sicherheit hat bei Kunden, die Windparks bauen, einen hohen Stellenwert. Sind weniger Reparaturen und Stillstände zu erwarten, steht ein wirtschaftlicher Betrieb in Aussicht.

Die Qualität des Bremerhavener Prüfstandes hat sich in der Branche schon längst herumgesprochen. Im April 2018 kommt im wahrsten Sinne des Wortes einer der ganz Großen zum DyNaLab: Der Konzern Siemens Gamesa Renewable Energy lässt seinen bisher leistungsstärksten Prototypen einer 8-Megawatt-Windkraftanlage in Bremerhaven testen.


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