Multitalent mit Leckerfaktor: Bienenzucht auf dem Hoteldach
Die Tage werden dunkler und kürzer. Viele Leute reden schon jetzt vom „Winterblues“. Auch Andreas Bredehorn aus Bremerhaven stehen emotional harte Zeiten bevor. Aber nicht etwa, weil er wegen des Winters in tiefe Depression fällt. Ganz im Gegenteil: Der 30-jährige vermisst seine Bienen. Der Imker ist für die Bienenvölker auf dem Dach des Atlantic Hotel Sail City verantwortlich und hat seine Bienenstöcke jetzt winterfest verschlossen.
Die tiefstehende Sonne zeichnet lange Schatten mit ihrem orangen Licht auf das Gras. Man könnte meinen, auf einer Wiese zu stehen. Tatsächlich ist es das Flachdach des Conference Centers am Atlantic Hotel. „Wir haben die gesamte Fläche begrünen lassen, damit die Bienen auch hier an den Bienenstöcken blühende Pflanzen finden“, sagt Hoteldirektor Tim Oberdieck. Er hat die Idee vor gut vier Jahren angeschoben und ist seitdem Feuer und Flamme für das Projekt. „Honig vom Hoteldach – damit unterstützen wir nachhaltig die Umwelt und tun unseren Gästen gleichzeitig was Gutes“, sagt er. Erhältlich ist der Seestadthonig unter anderem im Atlantic Hotel Sail City, bei Wein Lorenzen, im Aktivmarkt Roter Sand und im Deutschen Auswandererhaus.
Mit den Bienen soll die Vielfalt der Natur in die Stadt zurückgeholt und das Bienensterben gestoppt werden. Andreas Bredehorn setzt sich als Stadtimker ehrenamtlich dafür ein. Im Berufsalltag ist er im Autoumschlag im Hafen. Vor einigen Jahren hat er einen Imker-Kursus gemacht. Seitdem lassen ihn die Bienen nicht mehr los. „Ich war schon immer so ein Natur-Fredi“, lacht er, während er den Metalldeckel eines Bienenstocks vorsichtig anhebt. Insgesamt stehen vier Bienenvölker auf dem Hoteldach. Im Sommer sind hier rund 240.000 Bienen zuhause – das Doppelte der Bremerhavener Bevölkerung.
„Zum Herbst hin verringert sich die Zahl der Bienen, damit das Volk gut über den Winter kommt. Es sind aber immer noch viele tausend“, erklärt Andreas Bredehorn. Rein sehen kann man nun nicht mehr in den Bienenstock. Eine dicke Styroporplatte deckt das Innenleben des rechteckigen Holzkastens ab, um die Bienen vor der Kälte zu schützen – zusätzlich zu ihrer natürlichen Wärmetaktik. „Die Bienen haben da drinnen jetzt eine Kugel geformt. In der Mitte sitzt die Königin. Die Tiere bewegen sich. Dadurch entsteht Wärme und es sind gut 25 Grad – auch, wenn es draußen friert.“, erklärt der Imker. Stört man die Tiere, werden sie unruhig und lösen die Kugelform auf. Bis jede Biene anschließend wieder ihren Platz hat, verbraucht sie unnötig Energie, die sie für den Winter aber braucht. Als Futter für diese Zeit dient der Honig, den die Tiere in den Futterwaben gesammelt haben.
Was die Bienen davon nicht brauchen, hat Andreas Bredehorn im Laufe des Sommers aus den Waben geholt. Dafür entnimmt er die Waben vorsichtig aus dem Stock und schleudert den Honig in einer Zentrifuge heraus. „Seestadthonig“ heißt die Marke. „Die Qualität ist extrem gut“, sagt Andreas Bredehorn. Der Grund dafür liegt in der Vielfalt der Blüten in Bremerhaven. „Wir haben Klee am Deich, Linden in der Stadt, die Obstbäume der Gärten, Tannen im Bürgerpark, Geranien auf den Balkonen und, und, und“, zählt der Imker auf. Und ein weiterer Öko-Pluspunkt: In der Stadt gibt es weniger Pestizide als auf dem Land. Das Labor bescheinigt dem Seestadt-Honig eine erstklassige Qualität.
Bis zu 250 Kilogramm Honig erntet Andreas Bredehorn jedes Jahr auf dem Dach des Atlantic Hotel Sail City. „Bienen sind wirklich Multitalente“, schwärmt der Imker. „Jede Einzelne hat ihre Aufgabe, sorgt für das Bienenvolk, den Nachwuchs und die Königin.“ Der Ausdruck „fleißige Biene“ bekommt so seine Bedeutung. Um den Bütenpollen für ein Pfund Honig zu sammeln, fliegt eine einzelne Biene rechnerisch bis zu 3,5 Mal um die Erde.
„Die Bienen sind ein wichtiger Teil im Nachhaltigkeits-Konzept unseres Hauses“, betont Hoteldirektor Tim Oberdieck. Lebensmittel-Abfall vermeiden, Strom sparen, Emissionen reduzieren – das sind nur einige der Punkte auf der Hotel-Agenda. Der Honig vom Hoteldach hat für Tim Oberdieck zudem eine ganz besondere Bedeutung: „Mein Großvater hat jeden Morgen ein Honigbrot gegessen.“ Eine gesunde Tradition, die bis heute in der Familie andauert – denn wer morgens bei den Oberdieks in die Küche guckt, sieht dort was? Vater, Mutter und Sohn am Tisch und auf dem Teller: ein Honigbrot.