Das Mensch, sein Müll und das Meer
AWI und Labor IBEN starten in Bremerhaven neues Forschungsprojekt zu Mikroplastik in Fischen.
Unsere Ozeane versinken in Müll. Laut WWF schwimmen in jedem Quadratkilometer Meerwasser heute bereits bis zu 46.000 Teile Plastikmüll. Und jedes Jahr kommen sieben Millionen Tonnen dazu. Diese wachsende, allgegenwärtige Gefahr für Fische, Vögel und Meeressäuger betrifft auch den Menschen, denn Mikropartikel und Giftstoffe könnten über die Fische in die menschliche Nahrungskette gelangen. TRAMIS, ein neues, von der BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH gefördertes Forschungsprojekt, untersucht erstmals das Vorhandensein von Mikroplastik im Muskelfleisch von Fischen.
„In den 1950er-Jahren hatten wir gerade einmal 0,5 Millionen Tonnen Plastik weltweit verwendet, heute sprechen wir über 300 Millionen Tonnen insgesamt. Plastik, das nicht nur Jahrhunderte bis zur völligen Zersetzung braucht, sondern auch in immer kleinere Partikel zerfällt“, erklärt Dr. Matt Slater, Leiter der Ankergruppe Aquakulturforschung am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung AWI. Das Bremerhavener Institut ist ebenso Verbundpartner im TRAMIS-Projekt wie das technologische Beratungs- und Entwicklungslabor IBEN GmbH, das ebenfalls in Bremerhaven ansässig ist.
Magnet für Giftstoffe
Das im Meer entstehende Mikroplastik enthalte nicht nur selbst eine Vielzahl von Schadstoffen wie Weichmacher oder Flammschutzmittel, sondern wirke darüber hinaus wie ein wahrer Magnet auf vorhandene Umweltgiftstoffe, so Slater. „Wir reden von Partikeln in der Größe von 1 bis 5 µm (Mikromillimeter). Diese Mikroteilchen werden von Fischen aufgenommen. Im Projekt werden wir nun erstmals untersuchen, ob sie über den Verdauungstrakt auch in das Muskelfleisch – und damit in das Filet – gelangen oder, ob sie wieder ausgeschieden werden.“ Studien haben bereits auf Mikroplastik im Muskelfleisch von Muscheln hingewiesen. Eine Folge der marinen Belastung mit Plastikpartikeln ist, dass diese in die Nahrungskette und damit in den menschlichen Körper gelangen könnten. Oder ob die Fremdkörper einfach wieder ausgeschieden werden – ohne Folgen für Tier und Mensch. Für Speisefische wurde bisher nur das Vorhandensein von Mikroplastik im Verdauungstrakt, aber nicht im Muskelgewebe untersucht. Hier betreten die Beteiligten AWI und Labor IBEN Neuland.
Gefährlich oder nicht?
Im Zentrum für Aquakulturforschung des AWI (ZAF) werden ab November 2017 Jungfische mit Futter aufgezogen, dem fluoreszierende Mikroplastikteilchen zugesetzt sind. Innerhalb von vier Monaten sollen die Fische von fünf Gramm auf 40 Gramm an Gewicht zulegen. Anschließend erfolgt das Sichtbarmachen (Detektion) des Plastiks. Dazu werden die Tiere im Labor IBEN auf sogenannten „Clean Benches“ aus Edelstahl filetiert. Anschließend erfolgen die Mazeration (d.h. die Zersetzung des Fischfleisches) und das Filtern. Unter dem Mikroskop wird dann sichtbar werden, ob und wie viel Mikroplastik im Muskelfleisch enthalten ist. „Wenn es um die Bewertung des Risikos für den Konsumenten geht, müssen wir unsere Ergebnisse natürlich in ein Verhältnis zu anderen Lebenssituationen stellen. Wie gefährlich ist Mikroplastik schließlich wirklich, denn auch über Plastikverpackungen oder Pfannenbeschichtungen nehmen wir tagtäglich Schadstoffe auf.“
Stärkung des Standortes
Slater und sein Partner im TRAMIS-Projekt IBEN Geschäftsführer Dr. Erwin Schuirmann sind glücklich über die Förderung des zunächst bis 2018 laufenden Forschungsvorhabens durch die BIS im Rahmens der Ausschreibung von Projekten zum Thema „Innovationen in der Lebensmittel- und Fischwirtschaft“. Hier setzt der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen Landesmittel zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation ein.
Das Labor IBEN ist seit annähernd 30 Jahren mit der Analyse von Lebensmittel- und Umweltproben beschäftigt. Auch Gutachtenerstellung und lebensmittel- und umwelttechnologische Beratung gehören in das Dienstleistungsportfolio des Bremerhavener Unternehmens. Das Labor zählt zu den führenden privaten Handelslaboratorien im Bereich Fisch, Fischprodukte und Fischfeinkost. IBEN Geschäftsführer Dr. Erwin Schuirmann sieht gute Perspektiven nicht nur für das Labor: „Dieses Projekt bietet uns erstmalig die Möglichkeit, die Belastung der Produkte der Fischereiindustrie einschätzen zu können. Wir werden wir ein völlig neues Verfahren zur Detektion vom Mikroplastik in Fischen entwickeln. Nach erfolgreichem Abschluss des Projektes wollen wir es patentieren lassen und unseren Kunden anbieten. Eine Erweiterung unseres Dienstleistungsangebotes, stärkt natürlich auch die maritime Wirtschaft am Standort Bremerhaven.“